Wenn man dieses ebenso schöne wie faszinierende Album mit mittelalterlichen Vertonungen des Hohenliedes im Zusammenhang hört, stellt sich ein fiktives Ganzes ein, das ein wenig an die spekulativen Rekonstruktionen von musikalischen Gottesdiensten, wie sie beispielsweise im Italien des 16. oder im Deutschland des 17. Jahrhunderts stattgefunden haben könnten, erinnert. Tatsächlich aber wäre eine Kompilation wie „Vox dilecti mei“ vor gut 1000 Jahren kaum möglich gewesen: Die einzelnen Werke stammen aus einem immensen Einzugsgebiet, das von Oberbayern über Frankreich, Italien und das alte Schlesien bis nach England, in einem besonders schillernden Fall sogar bis nach Island reicht.