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Besprechung CD zum Thema
Orgelmusik

Franz Liszt Die großen Orgelwerke

Carus 83.171

1 CD • 63min • 2004

07.06.2005

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 10
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 10

Die neue Mühleisen-Orgel der Stiftskirche Stuttgart (IV/81; Mühleisen, Leonberg 2004) erwarb sich über die bislang kurze Zeit ihrer Existenz einen hervorragenden Ruf in Kreisen zumindest süddeutscher Organisten und Orgelliebhaber. Da die alte, heute an eine polnische Kirchengemeinde verkaufte Stiftskirchenorgel klanglich an den räumlichen Gegebenheiten (Einbau des Instrumentes im beengten Rundbogen des Westturmes, sehr trockene Akustik des Kirchenraumes) gescheitert war, zog man aus diesem akustischen Dilemma beim Orgelneubau Lehren, auch wenn dies nicht ohne Probleme für die Architektenschaft abging. Das neue Instrument wurde in mehreren Ebenen hintereinander aufgestellt, was klanglich für den Hörer in der Kirche von großen Reiz ist, bei Tonaufnahmen dem Tonmeister aber eigene Strategien abfordert. Die früher unerfreulichen Deckenreflexe im Emporenbereich diffundierte man mit Hilfe von Deckensegeln.

Kay Johannsen, erfahren auf dem orgelbewegten, nichtsdestoweniger nie befriedigenden Vorgänger (Walcker, Ludwigsburg 1958), stellt nun auf dem neuen Instrument die drei großen Orgelwerke Franz Liszts vor, die dem neuen Instrument förmlich auf den Leib geschrieben scheinen. Ja, selbst der Kenner Merseburgs fühlt sich an diesen Raum erinnert, für den die großen Orgelwerke von Franz Liszt mehr oder minder entstanden, selbst wenn die eindrucksvolle Raumgröße Merseburgs fehlt. Die von Liszts Satz erwartete Klarheit wird von Kay Johannsen und seinem Tonmeister Wolfgang Mittermaier adäquat umgesetzt: Man hört immer das, was „gemeint“ ist. Gleichzeitig führt Johannsen den Hörer ohne Längen durch die drei Werke, was ihm nicht zuletzt die angenehm anzuhörenden Plena erleichtern, bleiben doch die Mixturen der durchwegs mit beeindruckender Sorgfalt intonierten Orgel im Prinzipalchor eingebettet. Die große Anzahl der auch in der medialen Vermittlung charaktervoll bleibenden Solostimmen verweisen ihrerseits auf die liebevolle Intonation des Erbauers.

Johannsen bedient sich grundsätzlich straffer Tempi, was beispielsweise in der Fuge über BACH gelegentlich ein wenig deplaciert, an anderer Stelle („B-A-C-H-Gewitter“ in der BACH-Fuge) aber überaus eindrucksvoll wirkt. Zudem verfügt er als Organist über die pianistischen Qualitäten für Liszt, ohne jene Unarten über seine organistische Sorgfalt zu legen, um deretwillen sich Marcel Dupré genötigt sah, als großer Diszplinator in die neuere französische Orgelgeschichte einzugreifen. Insbesondere das von Johannsen zu Beginn des Ad nos, ad salutarem undam angeschlagene ruhige Tempo bei leicht geschärftem Dreier macht den Hörer darauf aufmerksam, dass es Johannsens Naturell eher entspricht, sich dem Komponisten Liszt mit den Mitteln des Spielers und weniger denen des Sängers zu nähern. Seine Registrierungen überzeugen, was auch für den unerwarteten Effekt der Wiedergabe des Choralthemas auf den Röhrenglocken des Schwellwerks gilt. Ob man die Setzerumschaltung beim Übergang auf Track 4 (Weinen, Klagen, Quasi Allegro) nicht vielleicht doch hätte entfernen sollen? Dies gilt umso mehr, als der Tonmeister bei seiner Arbeit bewusst die Dynamik der Stiftskirchen-Orgel erhielt und damit engagiert Zeugnis von der Wiedergabequalität der CD ablegt, die interessierte Kreise heute mitunter in Abrede zu stellen bemüht sind.

Das Beiheft verzichtet verständlicherweise auf die allzu komplizierte Wiedergabe der Registrierungen, dient dafür aber mit der vollständigen Disposition des Instrumentes. Eine knappe Einführung in die Entstehungsgeschichte der ja noch neuen Orgel vermisst man indes letztlich doch.

Der musikbezogene Beitext aus der Feder des Freiburger Hochschullehrers Hans Musch beschreibt nicht nur einfühlsam das Ambiente, aus dem die drei großen Orgelwerke Franz Liszts hervorwuchsen, er symbolisiert auch die fruchtbare berufliche Zusammenarbeit, die – sogar unter Organisten – durchaus über ein Lehrer-Schüler-Verhältnis hinaus andauern kann.

Thomas Melidor [07.06.2005]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Franz Liszt
1Präludium und Fuge über B-A-C-H
2Variationen über Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen S 179
3Fantasie und Fuge über den Choral "Ad nos, ad salutarem undam"

Interpreten der Einspielung

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