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Besprechung CD

Pioneers and Exiles

Violin Music from Israel

SWRmusic 93.126

1 CD • 64min • 2004

23.11.2005

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 10
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 10

Klassik Heute
Empfehlung

Kompositionen für Violine solo fordern wie keine andere musikalische Gattung einen besonderen Grad an Bündelung, Konzentration und Verinnerlichung vorgefundener wie neu erfundener musikalischer Topoi. Daß dieser von Reduktion, Projektion und dabei doch Verdichtung getragene Prozeß kein abstrakt-akademischer bleibt, beweisen großartige Werke der Literatur. Bei den hier teilweise erstmalig eingespielten Werken kommt aber noch ein besonderer Aspekt dazu: die Sublimierung und Transformation eines Tonfalls bzw. einer Gestik, die von vielfältigen Facetten jüdischer Tradition geprägt ist, sich aber von Werk zu Werk auch immer wieder mit anderen Aspekten verbindet. Dabei können ethnisch-folkloristische Elemente dominieren wie etwa in Paul Ben-Haims (1897–1984) für Yehudi Menuhin geschriebener Sonate – Kolja Blessing spricht in seinem sehr differenzierten Beihefttext von dem sogenannten Mittelmeerstil, der „Spuren von Gesängen jemenitischer, persischer, sephardischer bzw. türkischer Juden mit orientalischem Kolorit verbindet.“

In deutlichem Gegensatz dazu steht eine musikalische Haltung, die ethnischen Färbungen ausweicht und sich ganz auf das sakrale bzw. synagogale Erbe konzentriert. Mordecai Seters’ (1916–1994) Sonate steht in diesem Sinne unter dem Einfluß von Abraham Idelsohns Sammlung jüdischer Melodien, wobei Seters einen von der Kantillation der Psalmodie geprägten Tonfall anstrebt. Die große europäische Tradition ist in diesen in ihrer Aura wie in ihrem Spektrum reichen Werken allerdings auch stets lebendig: mit Ausnahme von Seters, der als Zehnjähriger aus der Sowjetunion nach Palästina kam, sind die Komponisten deutsche Emigranten mit ehemals deutschen Namen. Beispielhaft zeigt sich die von einem reichen Kosmos geprägte, aber doch auch immer wieder wie in einem eigenartigen Niemandsland melancholisch tastende Stilistik in den Kolja Blessing zugeeigneten Werken Prolog und Epilog von Chaim Alexander, der 1915 als Heinz Alexander in Berlin geboren wurde und u.a. bei Stefan Wolpe studiert hat, der ja selbst eine sehr individuelle Stilistik geschaffen hat und eigentlich erst durch seinen Schüler Morten Feldman wirklich bekannt wurde.

Dramaturgisch und in ihrer sprachlich-gestischen Beredtheit packend sind auch die drei Werke von Abel Ehrlich (1915–2003), wobei die beiden farbenreichen und auch konzeptionell pointierten Spätwerke ebenfalls auf Anregung von Kolja Lessing entstanden.

Lessings Interpretationen lassen den unterschiedlichen Einflußsphären optimal Raum und geben damit auch dem einzelnen Werk einen klaren geistigen Radius und Atem. Mit seiner immensen geigerischen Vielseitigkeit und konzeptionellen Offenheit erweist er sich als ein vorbildlicher Anwalt dieser ausgefallenen musikalischen Stilistik, die noch immer zu sehr im toten Winkel der aktuellen Musikgeschichte steht.

Hans-Christian v. Dadelsen [23.11.2005]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Paul Ben-Haim
1Sonate G-Dur op. 44 für Violine 00:15:12
Abel Ehrlich
4Bashrav 00:09:51
Mordecal Seter
5Sonata 00:14:36
Abel Ehrlich
7Jeremiah and Spinoza 00:09:18
Haim Alexander
8Prolog 00:03:43
9Epilog 00:02:57
Abel Ehrlich
10The ash, of which forgetting exists 00:08:08

Interpreten der Einspielung

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