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Besprechung CD

Orlande de Lassus

Oracula

Alpha Productions Alpha 095

1 CD • 57min • 2005

11.08.2006

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Orlandus Lassus, Orlando di Lasso, Roland de Lassus – allein die Vielfalt seiner Namensüberlieferung lässt uns erahnen, mit welchem europäischen Genius wir es bei diesem Meister der Spätrenaissance zu tun haben. Und die neue CD von Roberto Festa mit seinem Ensemble Daedalus beweist nur noch mehr, dass Lassus noch 450 Jahre nach seinem Wirken mit seiner Musik unmittelbar ergreifen und begeistern kann.

Diese CD bietet zwei Werke, die dem heutigen Menschen durchaus gegensätzlich erscheinen mögen: Neun Klagegesänge aus dem Buch Hiob und die Wahrsagungen der heidnischen Sibyllen. Der Komponist allerdings vereinigte beide Kompositionen selbst in einem mit Miniaturen der zwölf Sibyllen dekorierten Manuskript, das heute in der österreichischen Nationalbibliothek in Wien verwahrt wird. Die schöne Handschrift der beiden Werke widmete Lassus seinem Dienstherrn, Herzog Albrecht V. von Bayern, mit dem ihn über das Dienstverhältnis hinaus eine tiefe geistige Freundschaft verband.

Noch im 13. Jahrhundert setzte der Bischof von Paris die Schriften des Thomas von Aquin auf den Index, weil der Pariser Theologieprofessor die Schriften des Aristoteles etwas zu intensiv gelesen hatte. Thomas von Aquin wurde schließlich heilig gesprochen und zum Kirchenlehrer erhoben. So kamen Theologie und Kirche in den Besitz der philosophischen Schätze der Antike, deren Überlieferung Jahrhunderte lang nur dem Gelehrtenfleiß der arabischen Welt zu verdanken ist.

Zu Lebzeiten Orlando di Lassos hatten die Gelehrten des Abendlandes das Erbe der Antike natürlich längst als die eigenen geistigen Grundlagen entdeckt. Die Weissagungen der Sibyllen wurden jetzt als Botschaften Gottes an die Heiden verstanden, in ähnlicher Weise, wie er zu seinem Volk durch den Mund der Propheten geredet hatte.

Um den expressiven Gehalt seiner Texte in Musik zu setzen, treibt Lassus die Kunst des polyphonen Satzes bis an die Grenzen dessen, was ihr an chromatischer und harmonischer Grenzgängerei zuzumuten ist. Nur sein etwas jüngerer Generationsgenosse Gesualdo wird ihn hier noch übertreffen (und für die Gesetze der Renaissance wohl auch gelegentlich über das Ziel hinausschießen).

Roberto Festa und sein Ensemble Daedalus gestalten die Expressivität dieser Musik vorzüglich, niemand könnte bei ihrer Interpretation auf die Idee kommen, die hohe Kunst der Polyphonie sei eine artifizielle Übung im textfreien Raum, zumindest nicht bei Orlando di Lasso. Und doch bleibt der Eindruck einer zweckfreien Schönheit erhalten, der für heutige Ohren (jedenfalls für die des Rezensenten) die über alle Zeiten hinweg wirkende ästhetische Wahrheit der Meisterwerke der Renaissancemusik ausmacht. Da trübt es den Eindruck nur wenig, wenn die Expressivität der Darstellung gelegentlich die Exaktheit der Ausführung (und dabei kommt es bei der durchaus objektiven Gesetzen folgenden Tonkunst der Renaissance auch immer an!) etwas beeinträchtigt und für diese Besprechung die Höchstbenotung verhindert.

Wieder einmal fehlt einer CD-Veröffentlichung von europäischem Rang ein deutscher Text! Die Firma Alpha wäre nicht schlecht beraten, wenn sie das geschmäcklerische Konzept der Kombination von Bildbetrachtung und Musik einer Präsentation ihrer musikalischen Aufnahmen opfern würde, die diese dem wichtigsten europäischen Klassikmarkt leichter zugänglich machen würde. Deutschland bereitet kleinen Klassiklabels mit interessantem Programm, die sich hierzulande ansprechend präsentieren, einen guten Empfang. Wenn man mit den deutschen Musikliebhabern Deutsch spricht, kann das ihre Aufnahmebereitschaft nur vergrößern.

Detmar Huchting [11.08.2006]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Orlando di Lasso
1Lectiones Sacrae Novem, es libris Hiob excerptae
2Prophetiae Sibyllarum

Interpreten der Einspielung

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