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Besprechung CD zum Thema
Klaviertrios

Joseph Haydn Piano Trios Vol. II

EigenArt 10370

1 CD • 75min • 2006

07.03.2007

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 8
Klangqualität:
Klangqualität: 7
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 8

Mit der zweiten dem Klaviertrioschaffen Haydns gewidmeten CD wendet sich das deutsche Trio Vivente diesmal fünf zwischen 1784 bis 1790 entstandenen Trios aus Haydns mittlerer Schaffensperiode zu. Der Reiz dieser Werken besteht nicht zuletzt darin, dass im Gegensatz zu den frühen Trios aus den 1760er Jahren die Entwicklung hin zum klassisch-ausgewogenen Satzbau hier bereits stark fortgeschritten, jedoch noch nicht vollendet ist. Formale Experimente oder überraschende Wendungen sind an der Tagesordnung. So wirkt etwa der Mittelsatz aus dem G-Dur-Trio bereits wie ein vorweggenommener Finalsatz.

In interpretatorischer Hinsicht blickt diese CD janusköpfig in zwei Richtungen. Die Violinistin Anne Katharina Schreiber, die wie die Pianistin Jutta Ernst eng mit dem Freiburger Barockorchester verbunden ist, verkörpert in ihrem Spiel sowohl barocke als auch moderne Interpretationsansätze. Ihr Ton ist fein ausbalanciert und klangvoll, ihr Spiel jedoch geprägt von der musikalischen Rhetorik einer historisch orientierten Interpretationsauffassung. Die Töne werden oft sehr direkt, manchmal sogar scharf angespielt, und erst später durch das ökonomisch eingesetzte Vibrato klanglich moduliert und abgerundet. Das Cello hält sich dagegen zumeist im Hintergrund. Ihr etwas dunkler Ton und die von Haydn vorgeschriebene strenge Orientierung an der Klavierbasslinie lassen ein individuelles Eigenleben kaum zu. Dazwischen steht Jutta Ernsts Klavierspiel. Sie ist klar die rhythmisch treibende Kraft dieser Interpretationen. Ihr Anschlag ist leicht und perlend, ihre Phrasierung flüssig und präzise. In klanglicher und agogischer Hinsicht bleibt ihr Spiel in den schnellen Sätzen aber manchmal eine Spur zu vordergründig im strengen Metrum gefangen. Hier wäre etwas mehr interpretatorische Freiheit ein Gewinn.

Entgegen den chronologisch gereihten Werk- und Umfeldbeschreibungen im Booklet sind die insgesamt fünf Trios auf der CD nach dramaturgischen Gesichtspunkten geordnet. Den Beginn macht das Trio Nr. 6 F-Dur. Bereits die ersten Takte geben die Route vor. Optimistisch und mit motorischer Energie schnurrt der Kopfsatz gleich einem tuckernden Motorboot voran, mit einem Elan, der sich bis auf wenige Pausen in der Durchführung – wo dann das Cello als Starthilfe wirkt – bis zum Ende dieses Satzes fortsetzt. Nach diesem Dauerlauf wirkt der zweite Satz nicht ganz zu Unrecht müde und verschlafen, als müsse sich die Musik jetzt erst einmal erholen.

Entspannt musiziert und insgesamt ausgewogen erklingt der Kopfsatz des Anfang 1790 komponierten und als Einzelwerk veröffentlichten Trios in As-Dur. Interessant sind die erstaunlich dunklen Töne sowie die bewusst herausgearbeiteten Generalpausen in der Durchführung. Nach einem wiegend ruhigen Wechselspiel von Violine und Klavier im Adagio findet die Musik im attacca anschließenden Finale wieder zu Energie, bleibt jedoch als Ausgleich zu den beiden zuvor erklungenen Sätzen etwas zu zahm.

Der Höhepunkt dieser CD ist die Interpretation des zweisätzigen c-Moll-Trios. Hier gelingt es den drei Damen, einen unter den Noten liegenden mozartianischen Reiz herauszuarbeiten. Zwischen der Melancholie eines grauen Regentages und der sanft dazwischen durchblickenden Sonne wechselnd ergeben sich im Kopfsatz komplementäre Stimmungen, wie sie sonst nur in den langsamen Variationssätzen von Mozarts Klavierkonzerten zu finden sind. Jutta Ernst gelingt hier der Spagat zwischen elegant-klassischer Zurückhaltung und romantischem Einfühlungsvermögen. Der zweite Satz erklingt als perlendes, fröhliches Spiel und erinnert in Bezug auf die Stimmungen des ersten Satzes an in der Sonne schimmernde Wassertropfen.

Vom Frage-Antwort-Spiel am Beginn der G-Dur-Sonate entwickelt sich eine musikalische Rhetorik, welche den geschilderten Background dieses Ensembles in der Welt der alten Musik gut verdeutlicht. Als Kompendium Haydn’schen Spielwitzes erklingt der zweite Satz, wo sich Klavier und Violine die musikalischen Gedankensplitter wie Bälle zuwerfen. Schön auch der abschließende Menuettsatz, der wirkt, als würde er sich nach der Brillanz des zuvor erklungenen Allegros nicht so sehr nach vorne trauen und sich lieber hinter einem Busch verstecken.

Dass diese Interpretationen als Klangtheaterstücke gehört werden können, zeigt auch die Interpretation des Kopfsatzes im abschließenden e-Moll-Trio. Die Musik ist ausgesprochen kontrastreich, wobei die Pole zwischen einer sich vor allem im Violinklang manifestierenden Strenge und neckischen Klavierpassagen pendeln. Der weiche, aber pointiert gespielte Siciliano-Rhythmus im zweiten Satz und ein flottes, atemlos wirkendes Presto beenden diese CD.

Der Klang dieser Aufnahme ist insgesamt etwas flach und dunkel, bildet die Instrumente aber klar und ausgewogen ab.

Robert Spoula [07.03.2007]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Joseph Haydn
1Klaviertrio Nr. 6 F-Dur Hob. XV:6
2Klaviertrio Nr. 11 As-Dur Hob. XV:14
3Klaviertrio Nr. 10 c-Moll Hob. XV:13
4Klaviertrio Nr. 1 G-Dur Hob. XV:5
5Klaviertrio Nr. 9 e-Moll Hob. XV:12 (1789)

Interpreten der Einspielung

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