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Besprechung CD

cpo 777 272-2

1 CD • 53min • 2006

28.02.2008

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 7
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 8

Gerade noch rechtzeitig zum 100. Geburtstag und 20. Todestag von Henk Badings (1907–1987) erschien bei cpo Ende 2007 diese Einspielung mit drei seiner 15 Sinfonien; das ist hoffentlich als Beginn einer längst ausstehenden Ehrenrettung zu werten. Badings, einer der bedeutendsten niederländischen Komponisten des 20. Jahrhunderts, hinterließ beinahe 1000 Kompositionen, von denen bisher so gut wie nichts auf CD vorliegt (ein paar wenige Aufnahmen aus den Neunzigern bei kleinen Labels sind längst vergriffen). In Holland war er lange unbeliebt. Ihm war in den Jahren der Besetzung durch die Nazis die Leitung des Konservatoriums in Den Haag übertragen worden, um den bisherigen (jüdischen) Direktor zu ersetzen. Die Holländer warfen ihm daraufhin Kollaboration vor, obwohl Badings nicht einmal Mitglied niederländischer Sympathisanten-Organisationen der Nazis war – ein typischer Fall holländischer Befindlichkeit (die gleichen Vorwürfe hätten auch jeden anderen getroffen, der an Badings Stelle den Posten bekommen hätte). Seit Mitte der 50er Jahre galt Badings als Pionier elektronischer Musik, doch in den 60ern kam die alte Debatte wieder auf. Es geht aber wohl zu weit, wenn Booklet-Autor Frits Zwart vom Vorstand der Badings-Stiftung von einem “totalen Boykott der Symphonik” in den Niederlanden spricht. Badings’ Werke wurden durchaus weiter gespielt und von verschiedenen Rundfunkorchestern auch aufgenommen; nicht zuletzt wurde auch die Produktion dieser CD von der Niederländischen Botschaft in Tschechien mit unterstützt. Gleichwohl wäre eine Gesamteinspielung der Sinfonien von Henk Badings dringend geboten, damit man sich endlich ein Bild von den Qualitäten dieses eigenwilligen Komponisten machen kann.

Die hier versammelten drei Sinfonien repräsentieren drei unterschiedliche Schaffensphasen: Die tragische Zweite, 1932 im Auftrag des Dirigenten Eduard von Beinum komponiert, ist dreisätzig und dicht gearbeitet. Die polytonale Tonsprache erinnert etwas an Hindemith. Am wertvollsten ist wohl das dynamisch vorantreibende Finale, doch die Sinfonie löst die in ihr angelegten Konflikte nicht – eine janusköpfige Coda. Außerdem nimmt sie den Hörer nicht recht gefangen, wirkt vergleichsweise abstrakt. Das mag auch am Dirigenten liegen: David Porcelijn war schon 1994, als ich ihn zum ersten Mal live erlebte, ein ausgesprochen nüchterner Dirigent mit wenig Klangsinn; daran hat sich offenbar nicht viel geändert. Die viersätzige siebte Sinfonie (1954) ist ein Auftragswerk des Louisville Symphony Orchestra. Es gibt starke Kontraste auf engem Raum und eine ausgesprochen konzentrierte motivische Arbeit, die der Sinfonie große innere Schlüssigkeit verleiht. Hier gelingt es Porcelijn, den Drive, den das Werk in den bewegten Teilen entfaltet, nicht zu bremsen. Apart sind die Farben, die Badings im langsamen Satz hervorzaubert; hier spürt man deutlich den Einfluß der Gamelan-Musik, die er in seiner Kindheit auf Java hörte. Die fantastische, einsätzige zwölfte Sinfonie wurde 1964 zum 60-jährigen Bestehen des Residenz-Orchesters Den Haag komponiert. In ihrer Aleatorik wirkt das episodische Stück besonders eigenwillig; Badings nannte es Sinfonische Klangfiguren.

Die Janacek Philharmonie Ostrava musiziert tadellos und so engagiert, wie man es sich nur wünschen kann. Schade nur, daß David Porcelijn so straff und direkt spielen läßt. Seine Darstellung von Badings Musik entbehrt nahezu jeglicher Sinnlichkeit – man höre nur einmal, wie er die enorme Steigerung im Zentrum der Zwölften geradezu öde ins Leere laufen läßt (Tr. 8, ab ca. 7’12). Man wünscht Badings Dirigenten mit mehr Sinn für Klang-Dramaturgie und -Wirkung. Wäre das Orchester nicht so gut, müßte meine künstlerische Wertung noch niedriger ausgefallen.

Ärgerlich sind die Fehler bei den Zeitangaben der Werke in Booklet und Cover: Die auf dem Inlay befindlichen Zeitangaben sind alle verkehrt; der Kunde glaubt, eine CD von nur 53 Minuten Spieldauer vorzufinden, in Wirklichkeit sind es fast 60 Minuten. Im Booklet stimmt lediglich die Angabe von Track 8 (12. Sinfonie, 18’15). Die 2. Sinfonie ist 18’40 lang (7’11–5’29–6’00), die 7. Sinfonie 22’54 (8’28–2’50’–7’38–3’58; Tracklängen inklusive Pausen). Dem Scherzo der 7. Sinfonie (Tr. 5) fehlt überdies die Tempobezeichnung “Presto”. Wäre nicht gerade bei einer so wichtigen Publikation ein wenig mehr Sorgfalt angebracht? Dessen ungeachtet ist der Repertoirewert der Produktion gar nicht hoch genug einzuschätzen!

Dr. Benjamin G. Cohrs [28.02.2008]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Henk Badings
1Sinfonie Nr. 2 00:22:56
4Sinfonie Nr. 7 (Louisville-Symphony) 00:22:56
8Sinfonie Nr. 12 (Symphonische Klangfiguren) 00:18:15

Interpreten der Einspielung

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