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Besprechung CD

Roméo Records 7258/9

2 CD • 1h 59min • 2007

20.04.2009

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 8
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 8

Es ist höchste Zeit, Craig Sheppard um Nachsicht zu bitten. In meiner Besprechung der sechs Bach-Partitas (Roméo Records 7248/9) ist mir ein Gedächtnisfehler unterlaufen. Ich zitiere: „Erwähnen darf ich auch, dass mir vor Jahrzehnten eine Liszt-Aufnahme Sheppards zum Überspielen geliehen wurde, die mir damals – zumal als glühendem Verehrer György Cziffras – recht verschlafen vorkam.“ Es handelte sich natürlich nicht um Craig Sheppard, sondern um seinen amerikanischen Kollegen Russell Sherman (Vanguard SRV 354/55 SD, 1974).

Doch zurück zu dieser Aufnahme. Craig Sheppard hat sich in mehreren Jahrzehnten seines Wirkens als literarisch gleichsam universal interessierter Interpret erwiesen. Näheres zu seinem Werdegang und seiner in unseren Landen vergleichsweise bescheidenen Präsenz habe ich anlässlich einer Besprechung seiner Gesamtaufnahme der sechs Bach-Partiten ausgeführt (siehe Klassik-heute.de vom 26.3.2009). Hier nun, im live aufgezeichneten ersten Teil des Wohltemperierten Klaviers, bestätigt Sheppard eine Klavierkunst der eindrucksvollen pianistischen Zuverlässigkeit, der beherrschten Eloquenz im Bereich der jeweiligen Stückcharakterisierung – und dies alles fern jeder dynamischen und affektiven Übertreibung –, wobei es auffällt, dass sich Sheppard auch in der Wahl der Zeitmaße im mittleren Bereich um plastische, durchsichtige Mitteilung besorgt ist. Es handelt sich um ein ernsthaftes Bach-Verfügen von bewundernswerter Unauffälligkeit, sofern man sich beim Hören allzu früh zufrieden zurücklehnt. Genaueres Verfolgen von Sheppards präludierenden und fugierenden Maßnahmen zeigten jedoch, wie sehr er den einzelnen Miniaturen doch eigene Wendungen, eigene Farben, eigene Akzente zu verleihen versteht.

Lyrisch, andächtig – in Richtung der Richterschen Himmels-Ästhetik! – eröffnet Sheppard mit den Dreiklangszerlegungen des C-Dur-Präludiums, riskiert es – nach einer klar und unmissverständlich platzierten Fuge –, sich mit dem Präludium in c-Moll tendenziell hüpfend-mechanisch zu Wort zu melden. Die folgende Fuge kommt rasch, gewissermaßen ohne Umschweife. Der wie geölte Verlauf des Cis-Dur-Präludiums erinnert mich an Guldas klinische Vorwärts-Eleganz; die dazu gehörige Fuge wirkt unter Sheppards Händen – für mein Empfinden – etwas monoton. Aber diese Gelassenheit, diese Übersichtlichkeit im Zuge unaufgeregten Fortschreitens ist dem Verständnis, der hörenden Lesbarkeit der Fugen sehr dienlich (wie sich anschließend in den Stimmverstrebungen der Fuge BWV 849 zeigt). Aufmerksamkeit erregt Sheppard, wenn er im D-Dur-Präludium (BWV 850) die linke Hand betont dezent einsetzt, die rechte hingegen mit realistischem Tonfall zur Diskussion stellt. Das berühmte es-Moll-Präludium (Nr. 8) entfaltet der Pianist als weiche, bedächtige Kostbarkeit im Sinne überkonfessioneller Religiosität – im strikten Gegensatz etwa zu Glenn Goulds Ausfräsung des Stückes. Schweren Schrittes, in seriöser Gewichtung schließt sich die Fuge an – ein weiteres überzeugendes Beispiel im Rahmen dieser im doppelten Sinn des Wortes wohl- und überlegt-temperierten Ausgestaltung alter, in Wahrheit für alle Ewigkeit zeitgenössischer Musik.

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Vergleichsaufnahmen: Gould (CBS, bzw. Sony); A. Schiff (Decca); Ashkenazy (Decca 475 6832); Hewitt (Hyperion CDS 44291/4); Richter (Eurodisc); Tuma (Supraphon SU 3600-2 132); Koroliov (Tacet 93); Tureck (DG 463 305-2); G. Cooper (ASV GAX 251); Dantone (Arts 47654-2); J. C. Martins (Concord Concerto); E. Fischer (Naxos 8.110651-52); Feinberg (TR RCD 16231); R. Levin (Hänssler 92.116); Fellner (ECM 476048 2).

Peter Cossé † [20.04.2009]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Johann Sebastian Bach
1Das Wohltemperierte Klavier Buch I BWV 846-869

Interpreten der Einspielung

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