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Besprechung CD

Giovanni Bononcini Barbara Ninfa Ingrata Cantatas and Sinfonias

Ramée RAM 1006

1 CD • 65min • 2009

04.10.2010

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 10
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 10

„Wir haben den Musikerberuf erwählt, um anderen den kulturellen Reichtum vergangener Jahrhunderte vermitteln zu können. Wir teilen diesen Reichtum der Schönheit und Emotion miteinander auf unseren Proben und es ist unser Bestreben, ihn in unseren Konzerten so aufrichtig wie möglich an unser Publikum weiterzugeben. Die Schätze, die in den Bibliotheken Europas vergraben liegen, warten nur darauf, gehoben, gespielt und geliebt zu werden. Wir möchten die Freude, die es uns bereitet, diesen vergessenen Melodien neues Leben einzuhauchen, mit anderen teilen.“ Mit diesen Worten werden die Besucher auf der Website des Ensembles L’Yriade begrüßt, und angesichts der neuen CD, der zweiten der 2003 gegründeten Gruppe, mag man diese Äußerung nicht nur als schöne Worte abtun – die Musiker meinen offensichtlich ernst, was sie schreiben. Schon die Biographien der Mitglieder von L’Yriade, allesamt Ende der 1970er Jahre geboren, zeigen eine exzellente Ausbildung an: Der Tenor Cyril Auvity, Absolvent des Konservatoriums von Lille mit Auszeichnung, wurde von William Christie entdeckt und debütierte als Barocksänger beim Festival in Aix-en-Provence im Jahr 2000 als Telemaco in Monteverdis Il ritorno d’Ulisse in Patria. Die Geigerin Léonor de Récondo studierte nach ihrem Abschluss am Bostoner New England Conservatory Barockvioline bei Sigiswald Kuijken und spielt unter anderem in so berühmten Orchestern wie La Petite Bande, Les Musiciens du Louvre, Les Talens Lyriques. Elisa Joglar studierte Cello am Conservatorio Superior im spanischen Victoria und ging dann nach Den Haag, um bei Jaap ter Linden Alte Musik zu studieren – auch sie fand danach schnell Anschluss bei William Christie, Philippe Herreweghe, Sigiswald Kuijken und Hiro Kurosaki. Isabelle Sauveur schließlich, die Cembalistin von L’Yriade, kommt aus der Schule von Christophe Rousset und spielt in renommierten Barockensembles wie Les Arts Florissant, Les Folies françoises oder Ensemble Philidor.

Auf seiner ersten CD widmete sich L’Yriade französischer Vokalmusik des 18. Jahrhunderts -dem Repertoire, das diese Musiker zusammengeführt hatte. Sie vereinten Kantaten, Airs de cour und Kammermusik aus der Feder Rameaus, Lamberts, Couperins, Clérambaults und anderer zu einem harmonischen Programm, das die Hörer auf eine hochklassige Abendmusik am Königshof zu Versailles entführte.

Im Fokus der zweiten CD des Ensembles steht der 1670 geborene Giovanni Battista Bononcini, einer der wichtigsten dramatischen Komponisten der Händel-Zeit. 1720 von der Royal Academy of Music für die italienische Oper in London engagiert, war er gleichzeitig Kollege und Rivale Händels. Bononcinis Opern feierten Triumphe in London, sein Ende in der britischen Hauptstadt war indessen unrühmlich: Plagiatsvorwürfe veranlassten seine Gönner, sich von ihm zurückzuziehen, er bekam in London keine Aufträge mehr und musste sein Glück anderswo suchen. Paris, Lissabon und Wien sind die weiteren Stationen seines Lebens, in der Kaiserstadt lebte er schließlich, nachdem fehl gegangene Spekulationen ihn 1737 zum armen Mann gemacht hatten, von einer Pension Maria Theresias und ist dort 1747 gestorben.

Bononcini war auch ein maßgeblicher Meister in der Form der Kantate, jener dramatischen Miniatur, die im 18. Jahrhundert in den Salons florierte. Alle Affekte, die auf der Opernbühne ihren großen Auftritt hatten, fanden sich in raffinierter, verfeinerter Form auch in der Kantate wieder. Besonders, wenn man Gelegenheit hat, diese Interpretation von Bononcini-Kantaten mit der ersten CD von L’Yriade zu vergleichen, bemerkt man, mit welchem Feingefühl und welcher Stilsicherheit der junge Sänger und seine instrumentalen Mitstreiter vorgehen: Dominiert im französischen Repertoire eine reizvolle Vereinigung aus Charme, Grazie und Intellekt, so dass auch dramatische Akzente nie der Atmosphäre einer Kammermusik für den intimen Kreis beraubt werden, geht es in Bononcinis dramatischen Miniaturen zur Sache – hier werden dem Lauf der Gefühle keine Zügel des bon sens mehr angelegt, der Vulkan der verletzten Seele bricht aus und die Lava nimmt ihren Lauf!

Dass die Grenzen des guten Geschmacks in der Tongebung dennoch nie verletzt werden, ist der wunderbaren Stimme Auvitys zu verdanken: er hat sich in einem Tenorfach spezialisiert, das heute nur noch wenigen ein Begriff ist, dem so genannten ténor aigu. Dieser war die französische Antwort auf die italienischen Kastraten – die grausame Prozedur der Kastration zur Erhaltung der Knabenstimme war in Frankreich im Gegensatz zum benachbarten Italien unpopulär; die helle und durchdringende Stimmlage für das Heldenregister wurde bei den Franzosen mit einer durch rigoroses Training bewirkten Ausweitung der Bruststimme in hohe Lagen erreicht. Cyril Auvitys Gesang macht die Unterschiede des aus dem Kastratenfach entstandenen italienischen Heldtenors zum französischen ténor aigu deutlich, bleibt die Stimme doch selbst in der strahlendsten Höhe immer agil, ohne ein störendes stählernes Timbre zu entfalten.

Zwei Sinfonien von Bononcini runden das Programm ab, sie bieten geistvolle Abwechslung, wo eine reine Aneinanderreihung von Vokalmusik vielleicht etwas zuviel des Guten wäre. Die um eine Violinistin und einen Lautenisten vermehrte instrumentale Stammbesetzung von L’Yriade agiert hier, wie in den Kantaten, einfühlsam und tonschön – Bononcini selbst war auch ein berühmter Virtuose auf dem Violoncello, und auch seine Instrumentalmusik verdient in ihrem Einfallsreichtum und ihrer sorgfältigen kompositorischen Ausarbeitung voll und ganz die Zuwendung dieser intellektuell und emotional hochbegabten Vollblutmusiker.

Detmar Huchting [04.10.2010]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Giovanni Battista Bononcini
1Sinfonia nona op. 4 00:05:31
5Quando parli 00:10:08
9Barbara ninfa ingrata 00:13:34
14Sinfonia duodecima op. 4 00:08:48
21Alle sue pene intorno 00:09:09
25Ecco Dorinda il giorno 00:17:11

Interpreten der Einspielung

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