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Besprechung CD

Olli Mustonen

Scriabin

Ondine ODE 1184-2

1 CD • 68min • 2011

28.02.2012

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 10
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 10

Klassik Heute
Empfehlung

So wie ich den finnischen Pianisten Olli Mustonen oft und über viele Jahre hinweg erlebt habe, kommt dem Exzentrischen die Musik Alexander Scriabins vom grundierenden Charakter, von ihren hochfliegenden ästhetischen Zielsetzungen her entgegen. Dabei meine ich mit Exzentrik keineswegs die Persönlichkeit Mustonens von Mensch zu Mensch (in Lockenhaus habe ich ihn als umgänglichen, liebenswerten „Kerl" erlebt), gemeint ist seine unorthodoxe Behandlung des Instruments samt der Palette von Klang gebenden Anschlagsnuancen. Wenn ich mich nicht irre, hat er inzwischen seinen ehedem schier manisch anmutenden Hang zum Stakkato-Spiel auf ein mittleres Maß eingeschränkt. In diesem Zusammenhang sagte mir Nikolaus Harnoncourt, irgendwann müsste in einem Beethoven-Klavierkonzert auch einmal ein Legato vorkommen. Dies geschah, als Mustonen und Harnoncourt im Rahmen der Grazer styriarte die fünf Konzerte aufführten. Der Dirigent entschied sich bekanntlich in der Teldec-Gesamtaufnahme für den Solisten Pierre-Laurent Aimard…

Wenn man die späten Werke Scriabins hört – vor allem die Sonate op. 70 und Vers la flamme op. 72 –, dann denkt man wohl unwillkürlich an die Live- und Studioeinspielungen von Vladimir Horowitz. Mustonen nun spielt diese beiden Klangfarben-Lichtspiele an der Schwelle zum weltumspannenden, ja kosmischen Totalerlebnis eine Spur zurückhaltender in den akkordischen Ballungen, etwas schlanker am Ende der faszinierenden Steigerungs- und Schwellungsstudie und mit höchstem Heizwert am mächtig flackernden Ende. Die Musik wirkt hier nicht unnötig kontrolliert und gezähmt, aber nicht so selbstbezogen in der pianistischen Entäußerung wie unter den magischen, jede Art von Explosion hervorzaubernden Händen.

Diesen Vergleich sozusagen von Mann zu Mann kann man auch im Fall der ins Pompöse gesteigerten Etüde op. 8,12 ziehen, deren in Akkordserien auswucherndes Finale in Horowitz' CBS-Einspielung („The Sound of Horowitz") er bis zu orchestraler Mächtigkeit ausreizt. Die linke Hand sorgt dabei für gewaltige Stöße, die sich der Getriebenheit der rechten Hand wie Fremdkörper entgegenstemmen.

Von dieser unübertroffenen Einzelleistung Horowitz' abgesehen, bietet Mustonen mit den Etüden op. 8 fulminantes, ungemein nuancenreiches Klavierspiel, mit klaren Entscheidungen, was die verschiedenen Stückcharaktere, ihre je eigene Mechanik in den Grenzbereichen von Gewichtigkeit und jenem flirrenden, flüchtigen, bodenlosen „Prestissimo volando" betrifft, wie es Skriabin ausdrücklich für den zweiten Teil der Sonate Nr. 4 op. 30 verlangt hat. Die Des-Dur-Etüde op. 12,10 hört man nur selten so strebend, mehrgriffig gleitend und damit auf mystifizierende Weise „Allegro" vorgelebt. Ich kann nur eine vergleichsweise gleitend-rasante Darstellung erwähnen, nämlich von Ivo Pogorelich in einem Wiener Abend vor vielen Jahren. Hier und an anderen Stellen seines auch zwei Préludes-Sammlungen umfassenden Programms zeigt sich Mustonen älteren Einspielungen in Fragen pianistischen Malens und Linierens deutlich überlegen. Ich beziehe mich bei dieser Bewertung auf einst der Katalogerweiterung halber begrüßenswerte Gesamteinspielungen von Michael Ponti, John Ogdon und Wolfgang Saschowa (Kaskade).

Vergleichsaufnahmen: Etüden op. 8: Ponti (Vox SVBX 5463 /LP), Kuschnerova (Ars musici 1259-2), Magaloff (disques montaigne 782015), Jardon (AR Ré-Sé 2006-1), Sofronitsky (Nr. 2,4,5,6 und 11 /Melodya 08779-80 /LP); Etüde op. 12,12: Horowitz (CBS/LP später Sony S2K 53457; Nr. 10 op. 70: Horowitz /CBS-LP, später Sony-CD), Ponti (Vox SVBX 5464/LP), Sofronitsky (Melodya 08779-80/LP), Shukow (telos musici TLS 035), Pletnev (Virgin 554247 2), Volodos (Sony SK 60893), B. Glemser (Naxos 8.555368); Vers la flamme op. 72: Horowitz (CBS-LP), Amoyel (Calliope 9353), Xiayin Wang (Naxos 8.570412), Sofronitsky Skrjabin-Museum Moskau 1960 / Arbiter 157), Mody (Thorofon CTH 2570/2).

Peter Cossé † [28.02.2012]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Alexander Scriabin
112 Etüden op. 8 00:30:40
13Six Préludes op. 13 00:08:15
19Cinque Préludes op. 16 00:07:37
24Klaviersonate Nr. 10 op. 70 00:12:34
25Poème Vers la Flamme op. 72 für Klavier 00:08:00

Interpreten der Einspielung

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