Concert 1959
SWRmusic 93.714
2 CD • 2h 09min • 1959
26.04.2012
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
„Öffnet den Schrein!“ – diesen Parsifal-Wunsch befolgt der Südwestdeutsche Rundfunk in vorbildlicher Weise, holt Tonschätze der Vergangenheit aus dem Depot und transportiert sie in unsere Gegenwart. Namentlich mit der „Edition Schwetzinger Festspiele" (bei Hänssler Classic) haben sich wertvolle Markierungen ereignet und auch die neueste Veröffentlichung, das Haydn-Oratorium Die Jahreszeiten (Schwetzingen 1959), wird sicher auf großes Interesse stoßen. Die Aufnahme profitiert von dem Faktum, dass die Tontechnik bereits ab Mitte der Fünfzigerjahre einen so hohen Standard erreicht hatte, dass sich seither die Klangverhältnisse kaum wirklich einschneidend verbessert haben. Auch künstlerisch zeigt die Wiedergabe bestes Niveau – von einer einzigen, allerdings gravierenden Ausnahme abgesehen: und die betrifft den Chor, der in Haydns Werk bedeutende Aufgaben zu erfüllen hat. Nicht nur an diesem Beispiel, sondern oft auch bei sonstigen Begegnungen mit älteren Tonzeugnissen läßt sich konstatieren, dass sich seither ein gewaltiger Fortschritt in der Chorschulung ereignet hat. Der Südfunkchor Stuttgart besaß damals noch nicht jenes heute gültige Niveau – und mit diesem Tatbestand muss man sich abfinden. An Lebendigkeit der Wiedergabe mangelt es jedoch keineswegs, die gediegene, ehrliche Interpretation steht unter der Leitung von Hans Müller-Kray (1908-1969), der durch viele Jahre beim SWR als Dirigent gewirkt hat. Wie in jener Zeit üblich, entfällt hier der Lobgesang an den Fleiß (Beginn des dritten Teils), der ja auch wirklich den einzigen schwachen Teil der sonst so großartigen Komposition darstellt.
Das Trio der Solosänger erhält durch die Mitwirkung Fritz Wunderlichs besonderen Glanz. Der deutsche Wundersänger zeigt sich hier voll ausgereift, mit edlem, natürlich-schlichtem Vortrag und feinster Ausgestaltung. Die schwierige Partie des Lukas bringt Tenöre mit schwacher Tiefe oft in Bedrängnis. Auffallend ist hier, wie Wunderlich gerade diese Lage so souverän meistert. Das bringt in Erinnerung, dass – so wird es in Werner Pfisters Biographie des Sängers berichtet – Fritz Wunderlich mitunter Bassarien zum „Einsingen" verwendete, um die tiefere Gesangslage zu festigen.
Doch nicht allein das „goldene" Organ Fritz Wunderlichs verleiht der Veröffentlichung besondere Attraktivität, auch der vornehme Sopran von Agnes Giebel beeindruckt durch instrumentale Führung und warmfühlenden Vortrag – ohne jene Koketterie (oder Affektesse), mit der manche Sängerinnen die Partie des Hannchen ausstatten. Und nicht zuletzt Kieth Engen (1925-2004), der prominente Münchener Bassist amerikanischer Herkunft, seinerzeit eine überaus sympathische Erscheinung der Opern- und Konzertwelt. Auch wenn ihm in der Vater-Partie des Simon nicht alle Töne glücken, so vermag er uns doch mit vitalem, herzhaftem Vortrag und kernigem Bassgesang in Haydns wunderbare Naturwelt hineinzuführen.
Clemens Höslinger [26.04.2012]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Joseph Haydn | ||
1 | Die Jahreszeiten Hob. XXI:3 |
Interpreten der Einspielung
- Agnes Giebel (Sopran)
- Fritz Wunderlich (Tenor)
- Kieth Engen (Bass)
- SWR Vokalensemble Stuttgart (Chor)
- Chor des Hessischen Rundfunks Frankfurt (Chor)
- Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR (Orchester)
- Hans Müller-Kray (Dirigent)