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Besprechung CD

Ferdinand Hiller Piano Works - Klavierwerke

cpo 777 584-2

1 CD • 53min • 2010

22.06.2012

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 8
Klangqualität:
Klangqualität: 8
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Es ist sicher riskant, ja naseweis – wie man in früheren Zeiten bildhaft sagen pflegte –, sich heute in seinem Urteil gegen anerkannte, berühmte, außerhalb jeder ästhetischen Zweifelhaftigkeit stehende Persönlichkeiten zu wenden. Ich wage es hiermit doch zu tun, selbst auf die Gefahr hin, von der überaus tüchtigen Pianistin Alexandra Oehler und ihrem cpo-Produzenten in musikkritische Ketten gelegt zu werden. Wer diese Einspielung in die Hand nimmt und das Begleitheft aufschlägt, dem fällt zunächst wohltuend auf, dass die Textfolge – ganz gegen die Gewohnheit konkurrierender Labels – mit der deutschen Version beginnt. Und dann beginnt man mit gehörigem Interesse drei an kollegialem Wohlwollen kaum zu übertreffende Zitate zu lesen. Zum ersten liest man in den Zeilen Chopins, die er 1831 verfasste: „Der brave Hiller ist in Bursche von gewaltigem Talent (…), ein Mensch voller Poesie, Feuer und Geist"! Knapp zehn Jahre spääter urteilt Felix Mendelssohn Bartholdy: „Ich glaube, dass Du, Deinem Talent nach, keinem Musiker jetzt nachstehst." Und Robert Schumann schließlich hob bei Hiller dessen Fantasie und Leidenschaft hervor, sprach dem Komponisten, von dem er Einiges in seiner Zeitschrift veröffentlicht hatte, „eine starke Erfindung" zu.

Aus dem reichen Vorrat an Hillers Klavierkompositionen ist heute auf Tonträgern und im Konzertsaal (so gut wie?) nichts zu vernehmen – noch nicht einmal auf dem allenfalls in Frage kommenden Zugabensektor. Raritätenfreundliche Festivals wie etwa in Husum könnten hierbei freilich ausgenommen bleiben. Mir ist zumindest nichts von diesem zunächst in Weimar bei Johann Nepomuk Hummel ausgebildeten Pianisten auf LP oder auf CD unter gekommen. Das bedeutet: Hillers von den zitierten Autoritäten so prächtig eingestuftes Wirken ist eine Zeiterscheinung geblieben, attraktiv zu Lebzeiten einem modischen Geschmack gehorchend und entsprechend, wo man den künstlerischen „Kampfrichtern" – wie zu allen Zeiten – zugestehen muss, dass es wahrlich nicht einfach ist, im Zeitgenössischen schon das Bleibende zu erschnüffeln. Wir dagegen haben es leicht, rückblickend das Gute vom Mittelmäßigen, das Durchschnittliche vom Minderwertigen zu trennen. Und wir beschäftigen uns zumeist mit dem längst Vorsortierten, mit Überliefertem, dessen Wert praktisch außer Frage steht. Hillers Klaviersonaten, seine „Klavierstück"-Sammlungen nun gehören zu dem reichen Konvolut an „Aussortiertem", auch wenn sie unter den Händen Alexandra Oehlers für Klaviermusiksammler und Klavierphilologen durchaus von Interesse sein können. Für den „normalen" Musikfreund sollten sie als bescheidene Erbaulichkeiten für den Moment, für die Erstbegegnung von Reiz sein. Wer also diese Publikation erwirbt – das wage ich zu prophezeien –, der wird sie unter dem bleibenden Eindruck so viel wichtigerer Musik in seiner Kartei, bzw. im Regal verschwinden lassen.

Dass Hillers mäßig prägnante Themen, seine flauen Sonatensatz-Durchführungen, seine „con fuoco" angekündigten Allegro- und Allegretto-Formationen nur hübsch glosende, allenfalls stereotyp aufgebauschte Halbherzigkeiten darstellen, sei hier warnend angezeigt. Selbst wenn der Finalsatz der Sonate op. 59 vollgriffiges Brio anmeldet, es bleibt doch der Eindruck von tönender Quantität im Vorfeld des Wertgesicherten. Alexandra Oehlers Umgang mit den drei hier präsentierten Charakterstück-Serien lässt zudem erahnen, wie sehr sich die Interpretin bei der Wahl einzelner Stücke von ihrem Qualitätsgefühl hat leiten lassen. Freilich hat eine CD nur 80 Minuten Dauer, aber bei 52 Minuten genutzter Wiedergabezeit darf man vermuten, dass es sich hier bei den ausgewählten Nummern um das Beste handelt.

Von etwas größerem Belang als die im Balladen-, im Romanzenton, aber auch „idyllisch" gehaltenen Miniaturen aus dem Opus 118, sind die zwei der drei Ghasèles op. 54 und je eine solche zunächst recht mysteriös anmutende in den „Klavierstücken" op. 81 und op. 130. Im Begleitheft wird zum Glück erklärt, wie diese arabische, seit dem 8. Jahrhundert gepflegte Dichtungsform im 19. Jahrhundert nach mehr oder weniger genau befolgten Regeln im deutschen Sprachraum eine Renaissance erlebte. Friedrich Schlegel, August von Platen und Friedrich Rückert pflegten diese Kunstvariante, zu deren Besonderheiten es zählt, dass derselbe Reim oder ein bestimmtes Wort für den Verlauf eines Gedichts wiederkehrend verbindlich bleiben. Man kann sich leicht vorstellen, wie gefahrvoll dies für die Spannungskurve einer Komposition sein kann…

Peter Cossé † [22.06.2012]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Ferdinand Hiller
1Klaviersonate Nr. 2 A-Dur op. 59 00:10:36
4Ghasèle Nr. 1 op. 54 Nr. 1 00:02:57
5Ghasèle Nr. 2 op. 54 Nr. 2 00:01:42
6Klaviersonate Nr. 3 g-Moll op. 78 00:15:09
9Ballade op. 130 Nr. 1 00:03:46
10Idylle op. 130 Nr. 2 00:04:04
11Romanze op. 130 Nr. 3 00:03:03
12Ghasel op. 130 Nr. 5 00:02:18
13Geistliches Lied op. 81 Nr. 3 00:05:08
14Ghasel op. 81 Nr. 2 00:03:18
15Alla Marcia op. 81 Nr. 1 00:07:00

Interpreten der Einspielung

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