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Besprechung CD

Richard Wagner Klaviersonaten & Lieder

cpo 777 800-2

1 CD • 76min • 2013

23.09.2013

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 8
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Eine der hauptsächlichsten Vergnügungen, die sich der Rezensent gönnt, wenn ihm Produktionen wie diese vorkommen, besteht darin, dass er zu erspüren versucht, wie's in der emotionalen Welt des Tonkünstlers, von dem gerade die Rede ist, ausgesehen haben könnte. Das ist auch nicht riskanter als die Herbeiziehung schriftlichster Dokumente und wichtigster Autoritäten, seien diese nun autobiographischer oder akademischer Natur: Manch einer ist in seinen Selbstzeugnissen unaufrichtig (gewesen), und wozu die Vivisektion des Werkes führt – davon können wir alle ein Liedchen pfeifen ...

Sich hingegen einzufühlen oder mindestens einzubilden, man wäre für ein paar Minuten Johannes Kreisler oder Hector Berlioz oder auch Richard Wagner, der da mit seinen gerade einmal achtzehn oder neunzehn Jahren vollgriffig von der Zukunft seiner (und somit aller) Musik träumt: noch nicht lange aus der Pubertät heraus; wie andere seiner Generation besessen vom Meister aller Klassen namens Ludwig van Beethoven; Dilettant genug, um sich nicht im Gestrüpp des Lernbaren zu verfransen und doch so versiert, dass nicht alles zum nebulösen Konjunktiv verdammt ist – das kann, sofern man's mit einiger Unbefangenheit betreibt, weit aufschlußreicher sein als alle theoretischen Erwägungen, Berechnungen und Folgerungen, mit denen man letztlich doch immer irgendwie außerhalb des Kunstwerkes bleibt.

Der Wert des gegenwärtigen Albums scheint mir – und gern zeihe ich mich des höchsten Subjektivismus – genau darin zu liegen, dass wir eingeladen sind, dem jungen Richard Wagner auf seinen Wegen zu Ludwig van Beethoven und zu Johann Wolfgang von Goethe zu folgen. Zu empfinden, wie man in schwelgerischen Reminiszenzen das Menschheitsideal eines musikalischen Vorbildes nachsingt; den tränenumflorten Blick im Adagio molto e assai espressivo der A-Dur-Sonate in die Ferne richtet und dann wieder mit kernigem Gerumpel die legendäre Löwenpranke nachahmt; sich dabei ertappt, wie einem bei den neckischen, liebenswürdig nostalgischen Kapriolen des Menuetts aus der Sonate B-Dur op. 1 ein sächsisch angehauchtes „gar nich schlecht" entfährt; in den sieben Stücken aus Goethes Faust dank dramatischer Höchstgefühle die eher grobschlächtigen Strophenformen vergißt: Was außer uns selbst hinderte uns an diesem Abstecher in das Reich der Fantasie und an einer Hommage, die nicht immer gleich ins zergliedernde Denken ausarten müßte?

Gerade bei der Wiedergabe der beiden Klaviersonaten hat sich Tobias Koch offenbar ähnlich leiten lassen. Zwar ist der Zweimeter-Flügel des Bayreuther Klavierbauers Eduard Steingraeber – auch das ein Opus 1 – fast zwei Jahrzehnte jünger als die darauf exekutierte Musik, sein Klang jedoch reicht völlig hin, um auch ganz praktisch die Diskrepanz zwischen Anspruch und aktueller Realität zu zeigen. Die Geste stößt (noch) an Grenzen, die Kralle kämpft gegen die Tücke des Objekts. Auch bei der Begleitung der sieben Faust-Kompositionen leistet Steingraebers Instrument gute Dienste: Kräftig genug, um beispielsweise das Lied des Brandner und das Flohlied mitzudröhnen, und silbrig schimmernd bei Gretchens Melodram „Neige, o Schmerzensreiche", das wir uns indessen weder in Goethes noch Wagners Mundart vorstellen wollen (und das auch, wie sich's gehört, in reinstem Hochdeutsch zu vernehmen ist).

Rasmus van Rijn [23.09.2013]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Richard Wagner
1Klaviersonate A-Dur op. 4 WWV 26 00:35:21
4Lied der Soldaten WWV 15/1 00:01:42
5Bauer unter der Linde WWV 15/2 00:03:16
6Branders Lied WWV 15/3 00:01:35
7Lied des Mephistopheles WWV 15/4 00:01:36
8Lied des Mephistopheles WWV 15/5 00:01:03
9Gretchen am Spinnrade WWV 15/6 00:02:37
10Melodram WWV 15/7 00:02:59
11Klaviersonate B-Dur op. 1 WWV 21 00:25:54

Interpreten der Einspielung

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