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Besprechung CD

Joachim Raff

String Quartets 2, 3, 4 & 8

cpo 777 004-2

2 CD • 2h 08min • 2007, 2006

26.02.2015

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Als fruchtbarer Sinfoniker von unbestreitbarer Begabung und exzellentem handwerklichen Geschick ist Joachim Raff (1822-82), in jungen Jahren Protégé und Werkstattgeselle Franz Liszts, vielen Hörern ein Begriff, und Sinfonien wie Im Walde (Nr. 3) oder Lenore (Nr. 5) üben bis heute mit frischer Erfindung und souverän fesselnder Formgestaltung ihren Zauber aus. Schon ein bißchen schade, dass sie so gut wie nie im Konzert zu hören sind, da die Schatten von Bruckner und Brahms nun doch zu mächtig ausfielen – dies ist ein Schicksal, das er mit weniger virtuosen und auch nicht ganz so fruchtbaren, doch nicht weniger substanziellen Meistern wie Robert Volkmann, Felix Draeseke, Friedrich Gernsheim, Hermann Goetz oder Hans Huber teilt. Was ihm fehlt, um mit den ganz Großen in einem Atemzug genannt zu werden? Nicht die Technik, nicht der Glanz, nicht die Sinnfälligkeit, nicht einmal die melodische Erfindung, nein, es ist ganz einfach der unverkennbare Eigenton, den zu finden man sich bei ihm schwer tun dürfte.

All das gilt auch für Raffs acht Streichquartette, von denen hier die Hälfte eingespielt ist: das 1857 nach der Übersiedlung von Weimar nach Wiesbaden entstandene zweite in A-Dur op. 90, die erste beiden aus der beiden im Winter 1866-67 während einer sich dahinschleppenden Erkrankung geschaffenen Trilogie opp. 136-38 (Nr. 3 e-moll op. 136 und Nr. 4 a-moll op. 137), und das letzte aus der 1875 vollendeten, in einem Opus zusammengefassten finalen Trilogie op. 192 (Nr. 8 C-Dur op. 192 Nr. 3). Dieses letzte Werk fällt aus dem Rahmen, indem es eine kontrapunktisch höchst kunstreiche und vergnügliche „Suite in Canonform“ ist, eine unbekümmert zeitgenössisch klingende Huldigung an die vorklassische Tradition ist.

Das Mannheimer Streichquartett agiert in Höchstform, sehr sauber und auf alle auch nebensächlicher scheinenden Details bedacht, und in dem steten, durch und durch ernsthaften Bemühen, die einzigartige Beschaffenheit eines jeden Satzes der technisch anspruchsvollen, für den Hörer sich leicht mitteilenden Werke zum Ausdruck zu bringen. Am ambitioniertesten, sozusagen wie eine Sinfonie für vier Stimmen, ist das zweite Quartett geraten, dessen vier Sätze hier über vierzig Minuten in Anspruch nehmen. Bis auf die späte Suite sind alle Quartette viersätzig, stets mit dem Scherzo an zweiter und dem langsamen Satz an dritter Stelle. In den tänzerischen Sätzen bezirzt Raff mit einer Mendelssohn’schen Grazie und duftigem, spritzigem Genre-Übermut, und immer klingt alles ganz natürlich und unangestrengt. Die Kopfsätze lösen sinfonisch verarbeitende Ansprüche im Gefolge Beethovens, aber auch Schuberts ein, und in den langsamen Sätzen (zwei davon zauberhaft und kontrastreich in Variationsform gearbeitet) kommt mir immer wieder ganz bezwingend Schubert in den Sinn. Das ist wirklich hinreißend komponiert! Die Finali kränkeln nicht, sind nicht zu lang und aufgedonnert, aber auch nicht verlegen unbedeutend, und vermitteln einen kultivierten Schwung und eine nicht versiegende Freude, auch in den elegischer beginnenden Quartetten Nr. 3 und 4, wobei das Finale des 4. Quartetts, von Beethovens Neunter inspiriert, mit zyklischem Rückgriff auf die früheren Sätze beginnt. Eine ganz andere Welt ist schließlich die kanonische Suite op. 192 Nr. 3 in sieben Sätzen: Marsch, Sarabande, Capriccio, Arie, Gavotte mit Musette, Menuett, und Gigue. Symmetrisch um die zentrale Arie, den einzigen Doppelkanon, gruppiert, erweist sich Raff hier als Meister mühelosen Kombinierens, das immer Vergnügen bereitet und keineswegs zu trockenem Exerzitium gerät. Man kann nur staunen angesichts solch schwindelerregender Meisterschaft! Hier allerdings ist die musikalische Umsetzung am schärfsten zu kritisieren, indem viel zu schlag- und taktweise betont wird, anstatt aus der Energie der jeweiligen melodischen Linien heraus, wodurch sich der Hörer anstrengen muss, um den Kanongang zu verfolgen, der sich ihm eigentlich unwillkürlich erschließen sollte. Da wäre unbedingt eine Neueinstudierung mit kompetentem Coaching zu empfehlen, wobei zur Entlastung vorgebracht sei, dass es wirklich feinster Abstufungen bedarf und die meisten anderen Quartettvereinigungen gewiss auch nicht souveräner aus diesem Test hervorgegangen wären.

Informativ und am Wesentlichen orientiert ist der ansprechende Booklet-Essay von Matthias Wiegandt. Das Klangbild der 2006 und 2007 im Hans-Rosbaud-Studio in Baden-Baden entstandenen Aufnahmen ist klar, durchsichtig und angenehm resonant.

Christoph Schlüren [26.02.2015]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Joseph Joachim Raff
1Streichquartett Nr. 2 A-Dur op. 90 00:40:44
5Streichquartett Nr. 3 e-Moll op. 136 00:33:37
CD/SACD 2
1Streichquartett Nr. 4 a-Moll op. 137 00:30:30
5String Quartet Nr. 8 C-Dur op. 192 Nr. 3 (Suite in Canonform) 00:22:40

Interpreten der Einspielung

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