Anzeige

Teilen auf Facebook RSS-Feed Klassik Heute
Klassik Heute - Ihr Klassik-Portal im Internet

CD • SACD • DVD-Audio • DVD Video

Besprechung CD

Franz Lehár

Giuditta

cpo 777 749-2

2 CD • 2h 23min • 2012

19.05.2016

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 8
Klangqualität:
Klangqualität: 8
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 8

Sein Leben lang hat Franz Lehár davon geträumt, ein Werk an der Wiener Staatsoper herauszubringen. Erst mit seiner letzten Operette Giuditta, der er – nicht ganz zutreffend – die Gattungsbezeichnung „Musikalische Komödie“ gab, ging sein Wunsch in Erfüllung. Am 20. Januar 1934 kam dieses sein letztes Bühnenstück unter seiner musikalischen Leitung im Haus am Ring heraus. Jarmila Novotná und Richard Tauber sangen die Hauptrollen, 120 Rundfunkanstalten übertrugen die Premiere; es war ein mediales Großereignis, das in der damaligen Zeit alle Rekorde brach. Teile aus dieser Aufführung sind akustisch erhalten, sie legen vor allem Zeugnis ab von Taubers unvergleichlicher Gesangskunst. 1942 entstand, ebenfalls unter Leitung des Komponisten, eine Rundfunkfassung, die bei verschiedenen Labels auf CD vorliegt. Hier setzt die tschechische Diva Jarmila Kšírová mit sinnlicher Stimme und genuinem Bühnentemperament in der Titelrolle Maßstäbe; ein paar Jahre später war sie Carmen in der einzigen Gemeinschaftsproduktion von Walter Felsenstein und Otto Klemperer an der Komischen Oper Berlin.

Mit Giuditta ist ein Endpunkt der „Silbernen Ära“ der Wiener Operette erreicht, die sich durch Lehárs Drang zum „Höheren“ zu einer geschmacklich fragwürdigen Zwittergattung zwischen Operette und großer Oper entwickelt hatte. Das Libretto von Paul Knepler & Fritz Löhner-Beda ist eine triviale Carmen-Variante. Hauptmann Octavio verfällt der Tänzerin Giuditta und wird ihretwegen zum Deserteur. Im Finale des 3. Aktes gehen die Opernwogen hoch, aber die Sache endet nicht tödlich. Octavio strandet als Barpianist in einem mondänen Großstadthotel und ergeht sich in Entsagung, Giuditta verdrückt ein paar Krokodilstränen um die angeblich große Liebe ihres Lebens und führt ihr Leben als Kurtisane fort.

Dass Lehár zum Zeitpunkt der Komposition künstlerisch ausgebrannt gewesen wäre, kann man allerdings nicht behaupten. Ein Schlager löst den anderen ab und geht dem überrumpelten Hörer nicht mehr aus dem Ohr: „Freunde, das Leben ist lebenswert!“, „Schön wie die blaue Sommernacht“, „Du bist meine Sonne!“, „In einem Meer von Liebe“, „Meine Lippen, sie küssen so heiß“ – jeder kennt diese Melodien, alle großen Tenöre und Soprane der letzten 80 Jahre haben sie gesungen. Aber trotz dieser Hitparade wagen sich nur wenige Theater daran, das Stück als Ganzes aufzuführen, da es in toto eine ästhetische Entgleisung darstellt und vom politischen Umfeld der Entstehungszeit nicht losgelöst werden kann. Und eine Operette mit den im Musiktheater mittlerweile inflationären Nazi-Uniformen – wer will so etwas noch sehen?

In München hat man das Stück vor vier Jahren konzertant aufgeführt. Ulf Schirmer zieht sich mit dem Münchner Rundfunkorchester mit einer betont sachlichen, „seriösen“ Lesart aus der Affaire. Gefühligkeit, gar Schmalz bleiben außen vor, es fehlt andererseits die Beschwingtheit, die wir in Lehárs Funkproduktion zumindest streckenweise erleben. Der Einstudierung ist aber große Sorgfalt im Orchestralen wie in der Arbeit mit den Sängern zu attestieren. Der Österreicher Nikolai Schukoff ist als Octavio ein vokal strammer Offizier mit gelegentlich heldentenoralen Anwandlungen, Taubers morbidezza ist ihm fremd. Und Christiane Libor ist als Giuditta eine respektable Operndiva, aber kaum die Halbweltdame, von der Text und Musik künden. Auch das Buffo-Paar Pierrino und Anita ist mit Ralf Simon und Laura Scherwitzl etwas schwergewichtiger als Operetten-üblich besetzt. Der markige Baßbariton Rupert Bergmann als eifersüchtiger Ehemann Manuele und schmieriger Zuhälter Martini chargiert in den Dialogen mehr als unbedingt notwendig. In mehreren kleinen Partien ist der mittlerweile in die erste Reihe der lyrischen Tenöre aufgestiegene Mauro Peter zu vernehmen. Er wäre heute eine denkbare Besetzung für Octavio.

Ekkehard Pluta [19.05.2016]

Anzeige

Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Franz Lehár
1Giuditta 01:42:38

Interpreten der Einspielung

Das könnte Sie auch interessieren

16.03.2022
»zur Besprechung«

Nicolaus Bruhns, Cantatas and Organ Works Vol. 1
Nicolaus Bruhns, Cantatas and Organ Works Vol. 1

12.08.2020
»zur Besprechung«

Johann Sebastian Bach, Concertos for Harpsichord and Strings Vol. 1
Johann Sebastian Bach, Concertos for Harpsichord and Strings Vol. 1

10.04.2020
»zur Besprechung«

Johann Sebastian Bach, St Matthew Passion BWV 244
Johann Sebastian Bach, St Matthew Passion BWV 244

18.02.2020
»zur Besprechung«

Ludwig van Beethoven, Symphony No. 9 in D major / BIS
Ludwig van Beethoven, Symphony No. 9 in D major / BIS

Anzeige

Klassik Heute - Ihr Klassik-Portal im Internet

Anzeige