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Besprechung CD

Beethoven • Brahms

Alexandre Rabinovitch-Barakovsky

Gallo CD-1472

1 CD • 80min • 1989

27.10.2016

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 7
Klangqualität:
Klangqualität: 5
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 7

Im Jahr 1994 interpretierte Alexandre Rabinovitch – damals noch ohne den erkennungsdienstlichen Zusatz „Barakovsky“ – die Diabelli-Variationen im Studio für das Label Teldec. Ungemein pointiert im Detail, sehr eilig und scharf akzentuierend schon im Thema, im Weiteren oft ruppig, in vielen Momenten überraschend mit unwirschen Abweichungen von den allgemein „gültigen“ Gestaltungsgewohnheiten, wie sie in den unten aufgelisteten, zahlreichen Einspielungen mehr oder weniger verbindlich sind. Die 22 Jahre alte Aufnahme kommt rein pianistisch sauber über die imaginäre Rampe – ein Dokument mithin, das rein handwerklich nichts zu wünschen übrig lässt, für mein Empfinden vor allem als Denkanstoss zu werten war und natürlich als weiterer Beleg eines mutigen Musikindividualisten.

Nun aber liegt ein Mitschnitt der Diabelli-Variationen vor, der die genannte Studio-Produktion in die Nähe eines fein-säuberlichen Kinderspiels mit besten Noten in den Kategorien Fehler, Schrift und Ausdruck rückt. Am 5. Oktober 1989 nämlich warf sich Rabinovitch-Barakovsky gleichsam über die „33 Veränderungen“, schien sie als eine kapitale Tobsuchtsstudie auseinander zu nehmen, sie wie in einer musikgeschichtlichen Live-Studie den an sich begründeten Vorstellungen von Beethoven späten Klavierblindflügen anzunähern. Nun muss man bei der Bewertung einkalkulieren, dass es sich nicht um eine professionelle Aufnahme handelt. Wolf Siegel – der verdienstvolle Veranstalter einer über viele Jahre in München heimischen Klavierserie – wird als Recording-Instanz genannt. Der verwaschene, dynamisch unkontrollierte „Klang“ der CD lässt eine private Technik vermuten, wie sie für den musischen und den beruflichen Hausgebrauch zu Dokumentationszwecken ihren Zweck erfüllt.

Unter diesen Umständen bricht das von Rabinovitch-Barakovsky noch aggressiver, nach rastloser „distonierte“ Diabelli-Thema wie ein Mini-Tsunami über den womöglich erschrocken zum Lautstärkeregler eilenden Hörer herein. Akustische Karate-Schläge zertrümmern den initialen Walzer – und mit den ersten Akkordsalven sind die Startschüsse gegeben für eine wilde Jagd durch eine düstere, sozusagen von klassischen Trollen bevölkerte Landschaft, wobei man die unendlich vielen Fehlgriffe, Verschleifungen und motivischen Verstümmelungen allenfalls als bewusste Inszenierung eines klavieristischen Horrotheaters in Anlehnung an Beethovens Leidensgeschichte hinnehmen könnte.

Eine Spur umsichtiger, musikalisch ziviler verfährt Rabinovitch-Barakovsky mit der f-Moll-Sonate von Brahms, deren Finale in den letzten Temposteigerungen eine ähnliche Brisanz entfaltet wie sie etwa aus der Decca-Aufnahme mit Julius Katchen verbürgt ist. Katchen ist es auch, den Rabinovitch-Barakovsky in einem auf Fragen der interpretatorischen Hermeneutik eingehenden Booklet-Beitrag würdigend hervorhebt. Der Pianist bekennt sich hier in einer langen Liste zu jenen Pianisten (und Dirigenten), die ihn mit ihren Leistungen überzeugt und berührt haben: Rachmaninoff, Josef Józef Hofmann, Alfred Cortot, Arthur Schnabel, Vladimir Sofronitsky, Charles Munch, Carlos Kleiber, Roger Norrington, Andres Staier oder auch Rudof Buchbinder – um nur einige zu nennen. Diese sehr persönlich gehaltenen Anmerkungen erinnern mich an Sviatoslav Richters „Tagebücher“ mit all ihren subjektiven Kurzformeln – dort freilich nicht nur Würdigungen, sondern auch kräftige Beschwerden über diesen oder jenen Kollegen…

Vergleichseinspielungen: Beethoven: Rabinovitch (Teldec 4509-95572-2), Barenboim (MCA LP MCD 80091; DG 453 733-2; Erato 4509-94810-2), Pollini (DG 459 645-2), Scherbakov (Naxos 8.554372), Heisser (naive 001), Vieru (Harmonia mundi HMC 901613), Anderszewski (Virgin 545468 2), Mustonen (RCA 61448 2), Yudina (Great Pianists Philips 456 994-2), Schnabel (Great Pianists Philips 456 961-2), Kindermann (Hyperion CDA 6763), Battersby (2x: Fortepiano, Piano –Naxos 8.557384-85), Korstick (Oehms OC 532), Backhaus (Decca LP 411 745-1), Bishop Kovacevich (Philips LP 6527 178), Alfred Brendel (Live in London 1976, 1988, 2001 – Decca 478 9126), Ejiri (Genuin 16404), Buchbinder (Telefunken LP 6.35289 FK),

Arrau (Philips 416 295-2), Richter (Amsterdam 1986 Philips 422 416-2), Gulda (Harmonia mundi France HMA 1905127; Amadeo 429 499-2; ORF 1957 Orfeo C 808109 L), Höxter (ambitus 97 838 CD), Katchen ((Decca 4757221), Demidenko (ASV GLD 4017), R. Serkin (Prades 1954 Music & Arts 1200), M. Kurtág (BMC CD 158), Leslie (telos TLS 110), Rangell (Steinway & Sons 3007), Varsano (CBS LP 79231),

Frith (ASV DCA 715), Ugorski (DG 435 615-2), Sokolov (Leningrad 1985 Opus OPS 42-9106), Horszowski (1952 Relief CR 911024), Vladar (Sony SK 48060), A. Schiff (Franz Brodman Fortepiano, Bechstein ECM 481 0446), Anda (DG 445 008-2), (Erato 4509-94810-2), Schnabel (Pearl GEMM CDS 9142), Torbianelli (Gramola 99016), Perl (col legno con 010; Arta Nova 74321 40740 2), Barrio (Koch/Schwann 3-1442-2), Fountain (crd 3506), Oelbaum (Bridge BCD 9010), Sonoda (Evicd HTCA-1017), Alfons Kontarsky (Lotus Records Salzburg LR 9618CD), Orth (Challenge classics 608917263428),

Musulin (hr-Aufnahmen 1973/74 Hastedt HAT 6611), Levit (Sony 88875060962)

Peter Cossé † [27.10.2016]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Ludwig van Beethoven
133 Variationen über einen Walzer von Diabelli C-Dur op. 120 (Diabelli-Variationen) 00:45:33
Johannes Brahms
5Klaviersonate Nr. 3 f-Moll op. 5 00:33:54

Interpreten der Einspielung

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