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Besprechung CD

D'Indy

Piano Sonata in E op. 63 • Tableaux de Voyage

Grand Piano GP756

1 CD • 66min • 2018, 2019

16.07.2019

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 8
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 8

Im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts ragen unter den Klaviersonaten vier Kompositionen – allein schon aufgrund ihrer gewaltigen Längen von jeweils gut 40 Minuten – aus der Masse hervor: die Werke von Paul Dukas (1900), Charles Ives (No. 1, 1901-10), Benjamin Dale (1902) und Vincent d’Indy (1907). Erfreut sich Dukas‘ virtuoser es-Moll-Beitrag – als Auseinandersetzung u.a. mit der Hammerklaviersonate – heute zunehmender Beliebtheit, wird auch Ives‘ wilder Erstling mehr und mehr als wegweisend empfunden, nicht nur für dessen eigene Concord-Sonata. Bei Dales d-Moll-Sonate, vielleicht die einzig umfangreiche ganz im Stil eines Richard Strauss, sind die letzten drei Sätze als Variationen gebaut, was man etwa von Tschaikowskys oder Tanejews Klaviertrios her kennt. Die dreisätzige Sonate von d’Indy geht da noch einen Schritt weiter. Ein knappes, quirliges Scherzo mit zwei Trios wird fast schon eingequetscht von zwei gewaltigen Außensätzen, die auf demselben Material aufbauen: der erste explizit als Variationssatz, das Finale dann in freierer Sonatenform mit elegischem Ausgang.

Über die Jahre hat es kaum Tonträger von diesem beeindruckenden, aber sperrigen Stück gegeben; im Konzertsaal hört man das Riesenwerk praktisch nie. Jean-Pierre Armengauds Neuaufnahme sei hier mit Michael Schäfers Einspielung für den BR von 2005-07 verglichen. Beide Pianisten legen sich für d’Indys verspätete Antwort auf die Dukas-Sonate – die Rivalität beider Komponisten war wegen d’Indys strammen Antisemitismus mehr als problematisch – mächtig ins Zeug, jedoch unterscheiden sich die Interpretationsansätze spürbar. Schäfer meißelt detailscharf alle motivisch-thematischen Verbindungen bestmöglich heraus, bleibt klanglich aber recht direkt und trocken, mehr im Geist der Spätromantik eines César Franck. Ihm gelingt ebenso die äußerst komplexe Harmonik mit vielen enharmonischen Umdeutungen als logischer Prozess. Armengaud übertrifft Schäfer bei der rein klanglichen Differenzierung und Farbigkeit deutlich; er stellt d’Indys Sonate nicht nur als Rückgriff auf deutsche – wagnersche – Techniken dar, sondern bringt sie durchaus auch in die Nähe zum Impressionismus. Das wird schon direkt zu Beginn klar, so in der Färbung des zweiten und dritten Akkords in Takt 6 oder der stärkeren Pedalisierung der Bassgirlanden in Variation IV des ersten Satzes. Hier geht Klang vor Struktur, die dennoch ohne ständigen Fingerzeig präsent bleibt; dafür werden sämtliche Finessen französischer Anschlags- und Pedalkultur geradezu zelebriert, was für den Hörer die Längen der Sonate fast vergessen macht. Seltsamerweise wirkt jedoch die merkwürdige Metamorphose des Hauptthemas in die Dur-Sphäre zum Thema mutatum bei Schäfer zwingender. Die Aufnahmetechnik unterstützt jeweils genau die Klangkonzeptionen beider Pianisten, beim Franzosen folglich mit mehr Bass, Hall und räumlicher Tiefe.

Armengaud, im vorigen Jahr immerhin schon 75, gerät der zweite Satz die entscheidende Spur zu langsam, um dessen plein air Charakter gerecht zu werden – das Scherzo geht an Schäfer. Schließlich reißt der emotionale Faden bei beiden Künstlern im Durchführungsteil des Finales – auf eine vollends stringente Darbietung dieser nicht enden wollenden Achterbahnfahrt muss man wohl noch warten. Armengaud fehlt hier an den Höhepunkten der Mut zum echten Fortissimo, Schäfer bleibt in seiner Agogik zu stereotyp. Als geradezu einfallslos muss man dann leider Armengauds Wiedergabe der Auswahl aus den Tableaux de Voyage bezeichnen – nicht nur La Pluie klingt wie vom Blatt buchstabiert – wirklich schade! Sein Sonatenbeitrag bleibt aber eine willkommene Auseinandersetzung mit d’Indys Monstrum.

Vergleichsaufnahmen: Michael Schäfer (Genuin 87083 [Tableaux de Voyage], 87101 [Sonate], 2007)

Martin Blaumeiser [16.07.2019]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Vincent d' Indy
1Klaviersonate E-Dur op. 63 00:43:01
24Tableaux de voyage op. 33 00:23:19

Interpreten der Einspielung

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