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Besprechung CD

Henri Marteau

The Complete Works for String Quartet II

cpo 555 129-2

1 CD • 70min • 2018

22.06.2020

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 7
Klangqualität:
Klangqualität: 8
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 7

Es ist eine unbedingt lobenswerte Tat, Henri Marteaus Kammermusik auf Tonträgern festzuhalten, denn wie die auf der vorliegenden CD dargebotenen Werke zeigen, war dieser im frühen 20. Jahrhundert höchst angesehene Violinist auch als schöpferischer Künstler ein Meister von Rang. Dass der 1874 in Reims Geborene 1908 als Nachfolger Joseph Joachims nach Berlin berufen wurde, verwundert nicht, erinnert doch sein ganzes künstlerisches Profil an den großen Vorgänger, der ebenfalls auf harmonische Weise seine Wirksamkeit als Konzertsolist wie als Kammermusiker mit der Komposition anspruchsvoller Werke ernsten Charakters verband. Nicht zuletzt verbindet beide ihre geistige Verwurzelung in der Wiener Klassik.

Auf den Spuren des späten Beethoven

Marteau ist Altersgenosse Ravels, aber hätte er nicht im Klarinettenquintett an wenigen Stellen wirkungsvollen Gebrauch von Ganztonfolgen gemacht, so könnte man sagen, die französische Musik des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts sei spurlos an ihm vorübergegangen. Wie wenig Marteau an César Franck erinnert, zeigt sich im Ersten Streichquartett gerade dann, wenn er das Hauptthema des Kopfsatzes in den Folgesätzen erneut ins Spiel bringt. Besonders fasziniert haben dürfte ihn der späte Beethoven, der namentlich in der ausgedehnten langsamen Einleitung zum Rondo-Finale des Quartetts seine Spuren hinterlassen hat. Jedenfalls war Marteau ein satztechnisch beschlagener Könner, der es trefflich verstand, einem Kammerensemble mannigfache Klangfarben zu entlocken. Auch als einen guten Melodiker möchte ich ihn loben. Originalität zeigt Marteau im Tonartenplan des Klarinettenquintetts, dessen erster Satz in a-Moll steht, aber mit einer Einleitung in c-Moll beginnt. Das Rondothema des Finales dagegen steht in C-Dur, der Satz endet allerdings in A-Dur. Ähnlich wie in Elgars zeitnah entstandener Erster Symphonie (aber auch schon in Schumanns Quartett op. 41/1) wird hier der Versuch unternommen, einem Stück zwei tonale Zentren zugrunde zu legen. Als Haupttonart kann man freilich am ehesten a-Moll gelten lassen, nicht c-Moll, wie im Beiheft und auch andernorts zu lesen.

Überlegene Konkurrenz

Wenn der Komponist am Schluss des Booklettextes als „heute […] nahezu in Vergessenheit“ geraten und „als in Frankreich […] noch unbekannter als in Deutschland“ bezeichnet wird, so stellt sich dabei wieder einmal die Frage, ab wann eine Komposition als „vergessene Musik“ bezeichnet werden kann. Gewiss sind Marteaus Werke lange Zeit selten gespielt worden, doch erscheint zumindest im Falle seines Klarinettenquintetts mittlerweile zweifelhaft, dass es „vergessen“ sei. Immerhin wird es (falls ich keine weitere Einspielung übersehen habe) mit dieser Aufnahme bereits zum sechsten Mal auf CD präsentiert. Jean-Michel Charlier und das Isasi Quartet sehen sich also einer beträchtlichen Konkurrenz gegenüber. Um es kurz zu sagen: Ihre Darbietung ist nicht die Überzeugendste. Charlier leistet an der Klarinette gute Arbeit, aber das Spiel des Quartetts enttäuscht. Was soll man davon halten, wenn con delicatezza nicht wesentlich anders klingt als ben marcato, ein grazioso sich nicht von einem cantabile unterscheidet? Vom Höreindruck her würde man kaum vermuten, dass Marteau in der Partitur sorgfältigste Abstufungen der Dynamik vorgeschrieben hat, vor allem was den Piano-Bereich betrifft, und dass er auch hinsichtlich der Artikulation von seinen Interpreten Differenziertheit wünscht. Ebenso unentschieden wirkt das Ensemble in der Darstellung des Phrasenbaus. Die Melodien klingen zu oft zu wenig zielgerichtet, zu verwaschen und letztlich unnötig bieder.

Interessant ist diese CD vor allem wegen des Ersten Streichquartetts, das in Ersteinspielung vorgelegt wird. Hier liegt die Aufführung ganz in den Händen des Isasi Quartets – und das beim Quintett Gesagte gilt in diesem Fall in verschärfter Form (besonders hinsichtlich des Scherzos). Dies ist schade, denn das schöne Werk enthält viele Feinheiten, die in einer besseren Darbietung hinreißend wirken dürften. Wen vor allem das Klarinettenquintett interessiert, dem empfehle ich, zu der Aufnahme von Klaus Hampl und dem Quartetto di Roma zu greifen (gekoppelt mit Max Regers Quintett).

Norbert Florian Schuck [22.06.2020]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Henri Marteau
1Streichquarett Nr. 1 Des-Dur op. 5 00:34:44
5Klarinettenquintett op. 13 00:34:50

Interpreten der Einspielung

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