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Besprechung CD

Ludwig van Beethoven

Symphony No. 5

Sony Classical 19075884972

1 CD • 30min • 2018

30.06.2020

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 10
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 10

Klassik Heute
Empfehlung

Wenn das Label Sony zum Beethovenjahr (das sich nun in Richtung des tatsächlichen Geburtstages zu verlagern scheint) wagt, eine unter 31 Minuten lange (?) CD nur mit der Fünften zum Normalpreis in den Handel zu bringen, muss man sich dort schon sehr sicher sein, etwas ganz Besonderes anzubieten. Und wenn das Booklet dieses Werk als „idealen Auftakt für eine neue Gesamteinspielung“ preist, wird sich möglicherweise mancher über die halb leere CD ärgern oder die Box abwarten. Teodor Currentzis fiel ja bei uns erst 2010 in Bregenz durch sein hochemotionales Dirigat von Weinbergs Passagierin auf, hat sich innerhalb weniger Jahre zum Kultstar entwickelt und ist Chefdirigent des SWR Symphonieorchesters. Sein „Hausinstrument“ ist aber seit seiner Zeit in Nowosibirsk und Perm das von ihm gegründete MusicAeterna Ensemble (Chor und Orchester). Bei seinen Leuten genießt Currentzis eine mittlerweile fast mystische Verehrung und verfügt hier über eine einzigartige, seit 15 Jahren verschworene Gemeinschaft.

Befreiung von der Tradition als Prämisse für wahre Katharsis

In seinem eigenen Bookletbeitrag fordert Currentzis eindringlich eine völlige Abkehr von der tradierten Aufführungsgeschichte der Fünften, inklusive der für ihn grotesken Komik einer Idee vom „Schicksal, das an die Pforte klopft“. Sein einziges Ziel: „das musikalische Drama der Fünften Symphonie auf allen nur erdenklichen Ebenen zur Katharsis zu führen, angefangen bei ihrer dinglichen Existenz aus Metronomzahlen und Formen bis zur spirituellen Dimension der Musik zwischen den Zeilen“. Solche Forderungen sind natürlich nicht neu; jedoch kann man bei genauerer Betrachtung der Aufführungsgeschichte gerade auf Tonträgern (man lese Lars E. Laubholds dickes Buch) bemerken, dass eigentlich niemand hier einen wirklich konsequenten Schnitt machen konnte. Vielmehr überrascht heute, dass z.B. Carlos Kleibers Einspielung von 1975 nur ein Schritt in Richtung Entschlackung von der teutonischen Sichtweise Furtwänglers über Klemperer, Karajan usw. war, an deren Konzept sich offensichtlich viele weitere Interpreten orientierten (u.a. Wand, Abbado oder Blomstedt). Allein an Beethovens Metronomvorgaben hält sich kaum wirklich jemand – auch nicht Andris Nelsons in seiner jüngsten Gesamtaufnahme. Und auch die Darbietungen auf historischen Instrumenten (Gardiner, Immerseel) ändern daran wenig.

Größter Respekt und durchaus neue Einblicke

Currentzis galt anfangs bei seinen Aufführungen traditioneller Orchester-Hits als enfant terrible, der mit gänzlich ungewohnten Lesarten durchaus zu provozieren vermochte. Bei Beethoven begegnet der Grieche der Partitur mit jedem erdenklichen Respekt: Das beginnt bei „historisch informierter“ Spielweise. Die Stimmung liegt bei ca. a = 432 Hz. Es werden wohl moderne Instrumente benutzt, jedoch Vibrato etwa ist tabu. Trotzdem erklingt das Stück groß – die etwas ungewöhnliche Streicherbesetzung (12/10/8/8/6) wird keineswegs basslastig. Sehr bewusst werden Beethovens instrumentale Registererweiterungen begriffen und genutzt, ohne Effekthascherei. Sony fängt im Wiener Konzerthaus darüber hinaus das Orchester fabelhaft ein. Currentzis nimmt Beethovens Tempi nun fast sklavisch ernst; lediglich im Scherzo, das dennoch in seiner unheimlichen Raserei beängstigender wirkt als in allen mir bekannten Aufnahmen, bleibt selbst MusicAeterna immer noch unter den geforderten 96 für den ganzen Takt.

Einige detaillierte Betrachtungen

Der erste Satz bringt bei Currentzis noch die wenigsten neuen Einblicke. Zwar verkürzt der Dirigent die Fermaten nach den „ta-ta-ta-tas“ aufs Notwendigste und verzichtet da auch auf agogische Spielereien, so zu Beginn der Durchführung. Trotz des straffen Tempos wirkt der Satz nie überhetzt, strahlt gleichermaßen Souveränität wie Gewalt aus, ohne – dank durchdachter Artikulation und Dynamik – mechanisch zu werden. Das Oboensolo (T. 268) beginnt schon unterhalb von forte, wirkt so wie der Rufer aus der Wüste, der leider ungehört bleibt. Unnachgiebiger und tatsächlich militaristisch kommen die Fortissimo-Stellen im kontrastreichen zweiten Satz daher, der leider Innigkeit vermissen lässt. Der rasante dritte Satz ist ein einziges Kabinettstück in Sachen Spannung, kaum auszuhalten. Die eigentliche Überraschung ist dann das Finale: Das Thema kann nur für wenige Takte seine militärische Herkunft nicht verleugnen, wird aber sofort zu einem wahren Freudentanz umgedeutet, elastisch und beschwingt. Das ist keine Siegesparade, sondern ein überschwängliches Volksfest, heiter und keinen Moment penetrant. Die Erinnerung an die Schrecken des Scherzos kann das nicht mehr ausbremsen. Ob Currentzis‘ seine Vision von „Schönheit eines verzehrenden, gleißenden Lichts, das sich über Normen hinwegsetzt und neue Lebenskraft schenkt“ so verwirklichen konnte, sei dem Hörer überlassen. Insgesamt eine durchaus revolutionäre Deutung: virtuos, klanglich grandios und absolut hörenswert.

Martin Blaumeiser [30.06.2020]

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Interpreten der Einspielung

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