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Besprechung CD

Gateway into the Beyond

Lucas Brunnert

Aldilà Records ARCD 006

1 CD • 79min • 2014

01.04.2021

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 10
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 10

Klassik Heute
Empfehlung

Aldilà Records hat während der letzten Jahre mehrfach das Schaffen Johann Sebastian Bachs in den Mittelpunkt eines CD-Programms gerückt, von diesem ausgehend die Brücke in andere Epochen der Musikgeschichte geschlagen, und dadurch die Hörer dazu angeregt, Gemeinsamkeiten und Unterschiede großer Werke verschiedener Meister und Zeiten zu erfassen. Diese Idee liegt auch dem Solo-Album Gateway into the Beyond des Violinisten Lucas Brunnert zugrunde: um Bachs Sonate a-Moll BWV 1003 im Zentrum gruppieren sich vier Stücke deutscher Komponisten aus der Zeit zwischen 1920 und 1943, Werke also, deren Entstehung mittelbar oder unmittelbar von der seit dem späten 19. Jahrhundert andauernden Wiederbelebung Bachscher Solo-Streichermusik angeregt wurde. Dabei unterscheiden sich die Kompositionen in stilistischer Hinsicht voneinander ebenso sehr, wie auch ihr Bezug zu Bach unterschiedlich stark ausgeprägt erscheint.

Die Musik hinter den Noten

Das „Dahinterliegende“, zu welchem uns Brunnert das Tor öffnen möchte, ist offenbar das, was ein Komponist nur andeutungsweise schriftlich fixieren kann: die großen Linienzüge, die musikalische Architektur, die tonalen Zusammenhänge. Eduard Erdmanns Sonate op. 12 ist diesbezüglich ein Prüfstein. Der Komponist wandelt kühn und unbeirrt auf Wegen abseits der überkommenden Tonleitern und Kadenzharmonik und stellt damit den Spieler vor die Aufgabe, die tonalen Ausrichtungen der frei behandelten Harmonien zu erspüren. Gelingt es diesem, zeigt sich diese Sonate als meisterhaft aufgebautes, hochexpressives Werk. Andernfalls entsteht jener Eindruck, der lange Zeit bewirkte, dass sie unter Geigern als unattraktives Stück verrufen war. Lucas Brunnert darf sich nun getrost als Ehrenretter von Erdmanns op. 12 betrachten. Jeder Moment wirkt in seiner Einspielung als Teil eines großen Ganzen. Brunnert weiß offenbar stets, wohin der Komponist möchte, was Steigerungs-, was Entspannungsphase ist. Erdmanns in den Noten dargelegter Plan wird zur lebensvollen Ausführung gebracht.

Edmund von Borck und Heinz Schubert, deren Solowerke Brunnert ebenfalls in rundum gelungenen Ersteinspielungen vorlegt, wurden beide mit noch nicht 40 Jahren im Zweiten Weltkrieg getötet, wodurch das deutsche Musikleben zwei seiner größten Begabungen verlor. Weist die Sonate des zwölf Jahre älteren Erdmann keinerlei Bezüge zu Bach auf, so ist Schuberts Phantasie (Praeludium und Toccata) satztechnisch wie harmonisch ohne Bach nicht vorstellbar. Schubert durchdenkt gewissermaßen das Vokabular des alten Meisters, um daraus eine ganz eigene, leidenschaftlich introvertierte Musik zu schaffen, die ebenso zeitlos anmutet wie die des Vorbilds. Borcks Präludium op. 11/2, eines jener kurzen Stücke, die aufgrund ihres Ereignisreichtums und ihrer Stringenz umfangreicher wirken als sie sind, rekurriert im Harmonischen weniger deutlich auf Bach, knüpft aber mit der Andeutung eines Wechselspiels verschiedener Stimmen ebenfalls an diesen an.

Vielfältige solistische Polyphonie

Bach selbst ist in Brunnerts Händen denkbar gut aufgehoben, die Darbietung der a-Moll-Sonate veritable musikalische Feinarbeit. Brunnert vermeidet dynamische Extreme, umso mehr beeindruckt die sorgfältige Abstufung der Tonstärke innerhalb des gewählten Rahmens – gut nachzuverfolgen etwa anhand der deutlich herausgearbeiteten Echoeffekte im Finalsatz. Auch bei Bach bewährt sich das sichere Gespür des Geigers für die große Form, die Entfaltung der langen melodischen Linien. Brunnert lässt hörbar werden, auf welch vielfältige Weise Bachs polyphones Denken dieses Stück prägt. Er musiziert in der Fuge gewissermaßen mit sich selbst in mehrstimmiger Besetzung, dabei jede Stimme zum Sprechen bringend, ist im Andante Solist und Ripieno zugleich. Die Figurationen des Einleitungssatzes erfasst er als lebendige Umspielungen einer großen Kernmelodie, die stringent der Fuge zustrebt.

Paul Hindemiths Sonate op. 31/2 bildet den idyllischen Ruhepunkt innerhalb des Programms. Dass Brunnert sich nicht nur auf die Wiedergabe tiefernster Stücke versteht, zeigt die unwiderstehliche Eleganz, die Hindemiths Werk in seiner Aufführung ausstrahlt.

Christoph Schlürens ausführlicher Begleittext, der auch einen Überblick über die Solo- Violinliteratur im Allgemeinen sowie Eduard Erdmanns eigene Anmerkungen zu seiner Sonate umfasst, hebt zusätzlich den Wert dieser ungemein empfehlenswerten CD.

Norbert Florian Schuck [01.04.2021]

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Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Eduard Erdmann
1Sonate op. 12 für Violine allein 00:23:29
Edmund von Borck
5Präludium op. 11 Nr. 2 für Violine solo 00:03:24
Johann Sebastian Bach
6Sonate Nr. 2 a-Moll BWV 1003 für Violine solo 00:24:56
Paul Hindemith
10Sonate für Violine allein op. 31 Nr. 2 (Es ist so schönes Wetter draußen) 00:14:15
Heinz Schubert
14Phantasie für Geige allein 00:13:17

Interpreten der Einspielung

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