Joachim Raff
Chamber Music Vol. 3
MDG 307 2273-2
1 CD • 70min • 2021
26.02.2023
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Nach zwei CDs mit Streichquartetten setzt das Leipziger Streichquartett seine Erkundungsreise durch das Kammermusikschaffen Joachim Raffs in verstärkter Besetzung fort. In Folge 3 präsentiert das Ensemble gemeinsam mit Elisabeth Dingstad (Violine), Frank Reinecke (Violine), Dorothea Hemken (Viola) und Peter Hörr (Violoncello) Raffs Streichoktett op. 176. In der Fantasie für Klavier und Streichquartett op. 207b tritt der Pianist Rudolph Meister hinzu, der zum Abschluss des Programms Primarius Stefan Arzberger in zwei Opernpotpourris nach Verdi zur Seite steht, welche erst durch jüngere Forschungen als Werke Raffs identifiziert wurden.
Frischer Wind
Schon in den ersten Takten des Streichoktetts macht Raff klar, dass man hier ein quicklebendiges Stück vor sich hat, durch das ein frischer Wind weht. Die Themen basieren größtenteils auf ziemlich schlichtem Material, dennoch muss ich dem großen Wilhelm Altmann entschieden widersprechen, wenn er im dritten Band seines Handbuchs für Streichquartettspieler behauptet, der Born der Erfindung sprudele in dem Werk nicht genügend nachhaltig. Im Gegenteil: Dem Schwung, den Raff in den drei lebhaften Sätzen entfacht, kann man sich meines Erachtens schwer entziehen. Das Andante fesselt durch die unbeschwerte, entspannte Atmosphäre, in der sich die musikalischen Gedanken zum großen Bogen zusammenfinden. Dass Raff das Ganze in ein prächtiges Klanggewand eingekleidet hat, muss bei einem so hervorragenden Instrumentator, als den man ihn aus seinen Symphonien wie aus seiner Kammermusik inzwischen kennt, nicht besonders hervorgehoben werden.
Die Fantasie op. 207 existiert wie das op. 34 von Johannes Brahms in zwei Fassungen: als Werk für zwei Klaviere und als Klavierquintett. In der Quintettfassung stellt Raff den klanglichen Kontrast zwischen Klavier und Streichern zunächst scharf heraus, bevor er die Partner im weiteren Verlauf des Werkes stärker miteinander verflechtet. Das Stück gliedert sich in einen kurzen unruhigen Einleitungsteil, einen verhältnismäßig umfangreichen langsamen Mittelteil und ein rasches Finale, das teilweise auf dem Thema der Einleitung basiert. Man kann das Ganze durchaus eine geschickt komprimierte dreisätzige Sonate nennen. Ensembles, die für einen Klavierquintettabend ein knappes, wirkungsvolles Eröffnungsstück suchen, sollten auf diese Fantasie zurückgreifen. Sie werden es nicht bereuen.
Verdi-Opern im kammermusikalischen Gewand
Die beiden Stücke am Ende des CD-Programms führen uns in jene Zeit, als der junge Raff dutzendweise Werke für Haus und Salon schrieb, um sich finanziell über Wasser zu halten. So sprang er 1856 für den Schott-Verlag ein, nachdem der beliebte Potpourri-Arrangeur Joseph Küffner gestorben war, und bearbeitete unter dessen Namen Auszüge aus Verdis Trovatore und Rigoletto für Violine und Klavier. Die beiden Revues musicales, die jeweils mehrere Opernmelodien in drei Sätzen zusammenfassen, machen hörbar spieltechnische Konzessionen an Laienmusiker. Keinesfalls kann man sie den anspruchsvollen Opernfantasien etwa eines Franz Liszt an die Seite stellen. Dennoch hat Raff in dem ihm vorgegebenen Rahmen Treffliches geleistet und darauf geachtet, beide Spieler gleichermaßen am Geschehen zu beteiligen.
Musikalische und technische Brillanz
Die hier zu hörenden Aufführungen des Oktetts und der Quintett-Fantasie lassen keinen Zweifel daran, dass wir es mit hochmotivierten, handwerklich tadellosen Musikern zu tun haben. Das Leipziger Streichquartett und seine Mitspieler betonen deutlich die virtuose Seite der Raffschen Musik und bewältigen die technischen Herausforderungen mit stupender Geläufigkeit. Die robust-zupackende Darbietung der Fantasie ziehe ich der überkorrekten, zaghaften Alternativeinspielung des Ensembles Il Trittico (Divox) vor. Allerdings zeigt die Aufnahme des Oktetts durch das Chamber Ensemble der Academy of St. Martin in the Fields (Chandos), dass man Raffs Musik sogar noch effektvoller spielen kann: Im Hinblick auf Phrasierung, Erfassung der Spannungsbögen und Hervorhebung von Details sind die Briten den Leipzigern hier eine Nasenlänge voraus. Gerade im Andante zeigen sie, dass es nicht verkehrt ist, sich in diesem Satz etwas mehr Zeit zu nehmen. Rudolph Meister ist offensichtlich in den Läufen und Akkordbrechungen der Fantasie in seinem Element. Weniger überzeugt er in den Verdi-Bearbeitungen, wo seine gleichförmige Artikulation das Stereotype zahlreicher Begleitfiguren eher unterstreicht als es vergessen zu machen.
Norbert Florian Schuck [26.02.2023]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Joseph Joachim Raff | ||
1 | Steichoktett C-Dur op. 176 | 00:23:11 |
5 | Fantasie g-Moll op. 207b für Klavierquintett | 00:16:28 |
6 | Trovatore (Revue musicale) | 00:16:35 |
7 | Rigoletto (Revue musicale) | 00:13:40 |
Interpreten der Einspielung
- Leipziger Streichquartett (Streichquartett)
- Elisabeth Dingstad (Violine)
- Frank Reinecke (Violine)
- Dorothea Hemken (Viola)
- Peter Hörr (Violoncello)
- Rudolf Meister (Klavier)