Elysium
A Schubert Recital
BIS 2573
1 CD/SACD stereo/surround • 69min • 2020, 2021
16.05.2023
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Die britische Sopranistin Carolyn Sampson hat lange gewartet, bevor sie sich der Herausforderung der Schubert-Lieder stellte, die auf dem Gebiet des Kunstlieds den absoluten Prüfstein für jeden Sänger bedeuten. Ihr erster größerer Versuch, das vor fünf Jahren aufgenommene und ebenfalls beim Label BIS veröffentlichte Album „A Soprano’s Schubertiade“, fand in der Fachpresse eine einmütig positive Bewertung. Nun hat sie, wiederum gemeinsam mit dem Pianisten Joseph Middleton, ihre Auseinandersetzung mit dem Komponisten fortgesetzt: „Elysium“ vereint 17 Lieder aus verschiedenen Lebensabschnitten, von An den Mond auf einen Text Ludwig Höltys (1815) bis zu der im Todesjahr 1828 entstandenen Vertonung von Karl Gottfried von Leitners Gedicht Die Sterne. Im Programm finden sich neben bekannten Liedern wie Auf dem Wasser zu singen, Nacht und Träume oder Du bist die Ruh auch ausgefallenere Titel wie Schwestergruß oder Litanei auf das Fest Allerseelen. Auch der Schiller-Vertonung Elysium, die gleichsam das Motto der Kollektion vorgibt, begegnet man im Konzertsaal nur selten.
Lebensfreude und Todessehnsucht
Im Booklet definiert die Lied-Expertin und Schubert-Kennerin Susan Youens den Begriff „Elysium“ über die antiken Ausformungen bei Homer und Vergil hinausgehend als einen „Bewusstseinszustand, unsere Fähigkeit, im Leben Glückseligkeit zu erfahren und vom Tod den Eingang zu noch größeren Wonnen zu erwarten“. In den meisten Schubert-Liedern, auch den zunächst heiter scheinenden, ist der Tod gegenwärtig, manchmal als Drohung, gelegentlich aber auch als Hoffnung (Der liebliche Stern, Wiegenlied). Während Sampsons erste Sopran-Schubertiade Liedern gewidmet war, deren Texte aus der Perspektive von Frauen geschrieben oder an sie gerichtet waren (Suleika, Ellen, Mignon, Gretchen), ist das lyrische Ich diesmal oft männlich oder nimmt eine männliche Sicht ein. Am deutlichsten bei Goethes Der Musensohn, der in Tenor- und Bariton-Recitals überaus beliebt ist, allerdings auch schon von Sängerinnen wie Elisabeth Schwarzkopf, Christa Ludwig oder Elly Ameling prominent eingespielt wurde.
Mehr Licht als Schatten
Carolyn Sampsons heller und klarer Sopran, der sich bis heute einen jungmädchenhaften Glanz bewahrt hat, kommt in den rein lyrisch-verinnerlichten Gesängen (Nacht und Träume, An die Nachtigall) wie in den unbeschwert-heiteren (Gott im Frühlinge, Die Sterne) zu schöner Wirkung, in die Abgründe von Schuberts Liedern dringt sie dagegen kaum ein. Dies überlässt sie ihrem Partner Joseph Middleton, der imaginativ die Subtexte herausarbeitet, die in den Klavierparts verborgen sind und weit mehr erzählen als die Gedichte aussprechen, signifikant etwa in den variierenden Glockentönen in Die junge Nonne. Im populären Musensohn zieht er die Sängerin in ein atemloses, wirbelndes Tempo hinein, dem sie folgt, ohne aber den draufgängerischen Impetus des Jünglings zu vermitteln. Dass sie keine Probleme mit der deutschen Sprache hat, ist bekannt und wird hier im Melodram Abschied von der Erde noch einmal bestätigt, doch fehlt es ihr oft am entschiedenen Zugriff auf die Texte, was im Falle von Schillers wortgewaltig pathetischem Elysium besonders ins Gewicht fällt.
Ekkehard Pluta [16.05.2023]
Anzeige
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Franz Schubert | ||
1 | Schwestergruß D 762 | 00:06:28 |
2 | Ganymed op. 19 Nr. 3 D 544 | 00:03:56 |
3 | An den Mond op. 57 Nr. 3 D 193 | 00:03:10 |
4 | Auf dem Wasser zu singen op. 72 D 774 | 00:03:36 |
5 | Die junge Nonne op. 43 Nr. 1 D 828 | 00:04:38 |
6 | Gott im Frühlinge D 448 | 00:01:56 |
7 | Nacht und Träume D 827 | 00:04:20 |
8 | Die Sterne D 939 | 00:03:06 |
9 | An den Mond D 259 | 00:03:30 |
10 | Am Tage Aller Seelen D 343 (Litaney auf das Fest aller Seelen) | 00:04:50 |
11 | An die Nachtigall op. 98 Nr. 1 D 497 | 00:01:22 |
12 | Der Musensohn op. 92 Nr. 1 D 764 | 00:02:07 |
13 | Der liebliche Stern D 861 | 00:03:00 |
14 | Wiegenlied D 867 | 00:05:18 |
15 | Du bist die Ruh D 776 | 00:04:24 |
16 | Elysium D 584 | 00:07:47 |
17 | Abschied D 829 (Leb wohl du schöne Erde, Melodram; aus »Der Falke«) | 00:02:47 |
Interpreten der Einspielung
- Carolyn Sampson (Sopran)
- Joseph Middleton (Klavier)