Live Classics LCL 106
1 CD • 51min • 1989
01.11.2001
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Mit dieser am 18.1.1989, also knapp eineinhalb Jahre vor dem Tod des großen russischen Geigers Oleg Kagan live in der Martinskirche Basel aufgenommenen Interpretation von Schuberts Streichquintett - die Nr. XXVIII der Oleg Kagan Edition - liegt nun ein Konzertmitschnitt vor, der nicht nur einen wunderbaren Blick auf die hochsensible Spielkunst Kagans und seiner Mitspieler richtet, sondern auch einen selten komplexen Einblick in Schuberts kammermusikalisches Vermächtniswerk ermöglicht.
Die fünf Instrumentalisten nähern sich Schubert sehr selbstbewußt und mit bis an die Grenzen der Selbstausbeutung gehender Intensität. Dies gibt den einzelnen, sehr präzise ausformulierten Sätzen eine geradezu bezwingende Eindringlichkeit. Bereits in der Exposition des eröffnenden Allegro ma non troppo wird die die ganze Werkinterpretation prägende nervöse Unruhe immer wieder zu Momenten geführt, welche die Musik in ihrer scheinbaren Ordnung gefährlich ankratzen. Und aus dieser bricht zu Beginn der Durchführung (9'39) plötzlich ein, ja "der" Wesenszug Schubert'scher Musik hervor.
Kagans Violinspiel im folgenden Adagio ist in seiner human sprechenden Einfachheit schlicht himmlisch zu nennen. Daß hier eine Chimäre, ein verbotenes Glück besungen wird, zeigt in berührend schmerzhafter Weise der Mittelteil, dessen enorm klagender bis schließlich resignativer Charakter die Intensität einer Totenstille gewinnt. Hier kann auch unmittelbar nachvollzogen werden, wie sehr die schweigenden Klänge von Morton Feldmans Musik in Schubert verwurzelt sind.
Die aggressive Energie, welche das Scherzo durchzieht, ist in seiner radikalen Intensität höchstens mit der legendären Aufnahme mit Isaac Stern und Pablo Casals aus dem Jahre 1952 zu vergleichen. Im Trio verbreitet sich dann nurmehr Kraftlosigkeit, als hätte die Musik sich zuvor selbst verbrannt. Im Finale wird dann deutlich gemacht, wie knapp diese Musik den Hörer an einen Abgrund heranführte; und auch an ein Ende der kompositorischen Vernunft der Klassik, einen Abschied, den Schubert offensichtlich nur mit Widerwillen auskomponieren konnte. Denn diese Interpretation versucht erst gar nicht, die inneren Widersprüche dieses Werkes zu glätten, sie denkt diese schlicht und ergreifend zu Ende.
Wer in dieser großartigen Aufnahme ein Manko sucht, findet es vielleicht im etwas halligen Aufnahmeort; nicht aber in der Aufnahmequalität. Die Instrumente klingen ausgesprochen natürlich, das Klangbild ist durchsichtig und kompakt, vor allem aber ist der live-Charakter zum Greifen nahe.
Robert Spoula [01.11.2001]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Franz Schubert | ||
1 | Quintett C-Dur op. 163 für 2 Violinen, Viola und 2 Violoncelli |
Interpreten der Einspielung
- Oleg Kagan (Violine)
- Richard Lester (Violoncello)
- Gérard Korsten (Violine)
- Diemut Poppen (Viola)
- Natalia Gutman (Violoncello)