Clémence de Grandval
Works for Oboe
hänssler CLASSIC 98.295
1 CD • 54min • 2005, 2006
30.07.2007
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Wer im Internet komponierende Damen ausfindig zu machen versucht, der stößt alsbald auf einen unlängst (2006) veröffentlichten, stattlichen Band von 540 Seiten mit dem Titel Les Compositrices en France aux XIX siècle. Diese von Hänssler Classic vorgelegte „World Premiere“-CD mit Oboenwerken von Madame Clémence de Grandval (1828-1907) ist also gewissermaßen aktuell. Es wird aus dem genannten Buch deutlich, dass es neben bekannten Komponistinnen – wie etwa Lili und Nadia Boulanger, Louise Farrenc oder Germaine Tailleferre –, noch viele weitere, weniger bekannte Damen als Anlaß für Weltpremieren zur Entdeckung anstünden. Dass dies noch nicht geschehen ist, hat wohl auch etwas mit den unterschiedlichen Wertschätzungen von deren Werken zu tun.
Deutlich bringt der renommierte Oboenvirtuose Lajos Lencsés in seinem Begleittext die Bedeutung von Madame de Grandval als Schöpferin einer ihn persönlich begeisternden Oboenliteratur zum Ausdruck. Nicht nur als Interpret, sondern auch als ergänzender Bearbeiter fehlender Orchesterstimmen eines in den Meisterklassen der Konservatorien geschätzten Oboenkonzertes komplettiert er die aus seiner Sicht unbedingt zu schließende Lücke im Bereich romantischer Oboenmusik und ergänzt das Programm mit weiteren Beiträgen dieser Komponistin. Lencses’ Absicht kommt die einstige Schülerin von Chopin, Flotow und Saint-Saëns gleichsam in Kompaktform entgegen, hat sie doch einiges geeignete für die Oboe verfasst. Für Oboenfreunde bedeutet das ein Schwelgen in Harmonien, Stimmungen und Gefühlen; ob dies auch für Kamermusikliebhaber und Konzertfreunde ganz allgemein gilt, wird man sehen müssen.
Jenseits ihres Wertes als reizvolle Studienobjekte erreichen die Werke Grandvals keinen ihrer Lehrmeister in Hinblick auf Ideen- und Ausdrucksgehalt, am ehesten noch Flotow (kaum ist auch er über „Ach so fromm“ und seine „Letzte Rose“ hinaus noch präsent). Das Ergebnis ihres Schaffens, soweit hier zu hören, ist eine schöne, harmonische, fast verführerisch gefällige Musik. Die angenehm melodisch dahinfließenden, gelegentlich auch burlesken Themen und Motive mit ihren meist nur kurzen Entwicklungsgedanken in der Form von modulierenden Varianten und sehr häufigen, allzu bereitwillig gewährten Wiederholungen, haben kaum etwas Überraschendes zu bieten. Das Erwartete trifft immer ein und erinnert lebhaft an die klingenden Albumbilder, Lieder ohne Worte, Miniaturen und Charakterstücke jener Zeit. Manches Tänzerische und Kapriziöse ruft Assoziationen an grazil bewegte Marionettenszenen hervor.
Daß die wenigen klavierbegleiteten Beiträge an einer ungünstigen Baßbetonung mit dumpfen Pedalgeräuschen leiden, ist ein Manko. Auch die ansonsten kompletten Angaben zu den Notenvorlagen, wichtig für die aktiven Musiker, sind offensichtlich für die Tracks 8-12 übersehen worden. Die erbauliche Wirkung der vorgeführten Klänge bleibt von allem unberührt. Oboisten, Freunde und Anhänger werden diese „World Premiere“, bläserbrilliant und von allen Mitwirkenden einfühlsam gestaltet, mit Behagen genießen.
Dr. Gerhard Pätzig [30.07.2007]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Clémence de Grandval | ||
1 | Konzert für Oboe und Orchester | 00:16:54 |
4 | Lamento für Oboe und Streicher – Andante con moto | 00:04:14 |
5 | Scherzo für Oboe und Streicher – Allegro ma non troppo | 00:04:10 |
6 | Romance für Oboe, Violoncello und Streicher – Andantino | 00:03:51 |
7 | Gavotte für Oboe, Violoncello und Streicher – Allegro non troppo | 00:03:08 |
8 | Trio de Salon für Oboe, Fagott und Klavier | 00:08:14 |
10 | Noël für Sopran, Oboe und Klavier – Andante con moto | 00:05:47 |
11 | Prélude für Englischhorn und Klavier – Andante espressivo | 00:03:01 |
12 | Valse Lente für Oboe und Klavier – Allegro quasi andantino | 00:04:00 |
Interpreten der Einspielung
- Lajos Lencsés (Oboe)
- Ansgar Schneider (Violoncello)
- Ulrike Sonntag (Sopran)
- Libor Sima (Fagott)
- Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR (Orchester)
- Andrey Boreyko (Dirigent)
- Budapest Strings (Orchester)