Leoš Janáček Pianoworks
Danae Dörken
Ars Produktion ARS 38 130
1 CD/SACD stereo • 53min • 2012
03.01.2013
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Was tun, wenn man von der Musik allein nicht nur vollkommen gefangen genommen wird, sondern wenn einem deren Interpretation geradezu den Boden unter den Füßen wegzieht? So ergeht es mir mit diesem außergewöhnlichen CD-Debüt einer jungen, aus Wuppertal stammenden Pianistin. Um nichts Prunk- oder Glanzvolles, kein Beifall heischendes Virtuosenfutter handelt es sich; vielmehr hat sich die einundzwanzigjährige Danae Dörken für Klavierwerke von Leos Janácek entschieden, die nichts weniger darstellen als autobiographische Bekenntniswerke von größtenteils introvertierter und schmerzvoller Haltung, als das In-Töne-Fassen von Erinnerungen und Sehnsüchten, als das Verarbeiten von politischem Zeitgeschehen und bisweilen beunruhigenden persönlichen Traumata. Außergewöhnlich ist aber nicht allein die Repertoireauswahl. Wirklich außergewöhnlich erscheint mir die Kunst Danae Dörkens, ihre musikalische und interpretatorische Intelligenz.
Der Zyklus Auf verwachsenem Pfade vermittelt den Eindruck, als seien diese pentatonisch und kirchentonal eingefärbten, teils leidvollen Erinnerungsbilder an Janáceks früh verstorbene Tochter Olga die der Künstlerin selbst. Melancholie, Bitterkeit, Raues und Beängstigendes, Schönheit, Zärtliches und Tröstendes – all das wird perfekt abgebildet, ebenso noch so feine wie abrupte Stimmungswechsel. Gleiches gilt für die zum Gedenken an einen in Brünn am 1. Oktober 1905 während einer politischen Kundgebung getöteten Arbeiter entstandene Sonate 1.X.1905, mit deren Niederschrift Janácek noch am Tag des Geschehens selbst begonnen hatte. Diese düstere Totenklage mit ihrem teilweise schroffen Klaviersatz, ihrer schwebend wirkenden Klanglichkeit und ihren schneidenden Fanfarenmotiven breitet die Pianistin in nie erlahmender Spannung aus. Nichts wirkt überzogen, nichts glatt gebügelt. Ich kann einfach nicht anders, als Danae Dörken eine feinfühlig durchdachte Ausdruckskunst von enormer Tiefe und Kraft zu bescheinigen, die unwillkürlich in ihren Bann zieht. Damit will ich es bewenden lassen, denn jeder Versuch, das bisher Gesagte anhand einzelner Beispiele oder kleiner Details (beispielsweise in Sachen dynamischer oder artikulatorischer Gestaltung) verdeutlichen zu wollen, würde dem Hörerlebnis nicht gerecht werden; schlimmer noch, es würde das Hörerlebnis zerreden und seiner Faszination berauben.
Nur noch soviel: Abgerundet wird das Programm von einem noch deutlich der klassisch-romantischen Klangwelt verpflichteten Variationssatz aus Janáceks Studienzeit. Und von einer kurz vor Janáceks Tod entstanden Miniatur mit dem Titel Eine Erinnerung. Würde man dieses Kleinod am Ende eines Klavierabends von Danae Dörken in eben dieser Interpretation hören, wie sie einem auf der vorliegenden CD begegnet, so würde das Publikum wohl sekundenlang wie hypnotisiert in absoluter Stille verharren, bevor die ersten Zuhörer zu applaudieren wagten.
Christof Jetzschke [03.01.2013]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
1 | Unsere Abende | 00:03:13 |
2 | Ein verwehtes Blatt | 00:02:44 |
3 | Komm mit | 00:01:33 |
4 | Die Friedeker Mutter Gottes | 00:02:53 |
5 | Sie schwätzten wie die Schwalben | 00:02:16 |
6 | Es stockt das Wort! | 00:01:52 |
7 | Gute Nacht! | 00:02:56 |
8 | So namenlos bange | 00:03:34 |
9 | In Tränen | 00:02:50 |
10 | Das Käuzchen ist nicht fortgeflogen! | 00:03:51 |
Leoš Janáček | ||
11 | Klaviersonate 1.X.1905 - Von der Straße es-Moll | 00:13:41 |
13 | Tema con variazioni | 00:09:56 |
14 | Eine Erinnerung (1928) | 00:01:11 |
Interpreten der Einspielung
- Danae Dörken (Klavier)