Emil Nikolaus von Resnicek
Konzertstück für violine & Orchester • Goldpirol • Till Eulenspiegel

cpo 777 983-2
1 CD • 69min • 2014
04.10.2016
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Eine Idylle vom Tegernsee ist der Goldpirol, den Emil Nikolaus von Reznicek im Jahre 1903 geschrieben und, wie Michael Wittmann in seinem Begleittext sagt, offenbar als Satyrspiel nach seiner kapitalen Tragischen Symphonie verstanden hat. Der markante Ruf des Loriot d’or entführt uns denn auch in die ländlichen Gefilde, wo man sich’s kann wohl sein lassen – und wenn das eigentliche Hauptthema seine breiten melodischen Flügel spreizt, hebt’s uns gleich fünfzig Jahre in die Zukunft: in die alpine Landschaft, wo die drei Männer Claus Biederstadt, Paul Dahlke und Günther Lüders im Schnee zu den ganz ähnlichen Klängen des Filmkomponisten Sándor Szlatinay ihren köstlichen Schabernack treiben. Reznicek verharrt indessen in den flacheren, deswegen aber keinesfalls seichteren Gegenden: Ein Abstecher ins Gasthaus, wo eine Kapelle unter anderem ihr Glück am Yorkschen Marsch zu versuchen scheint, die prachtvollen Schwünge der Reprise, dazu immer wieder die typischen Verdrehungen und Wendungen, mit denen unser aristokratischer Tonkünstler vor sentimentalen Risiken und Nebenwirkungen schützt – diese Musik ließe sich mit geradezu unbändigem Vergnügen hören, wenn nicht ausgerechnet an dieser Stelle der Ausführungen (und an dem nachfolgenden Zwischenspiel aus der Oper Till Eulenspiegel) jener ganz spezielle Humor fehlte, mit dem bei Reznicek immer zu rechnen ist. Das eigentlich Tänzerische, das Augenzwinkern bei den harmonischen Ausweichungen, die kaum merklich herausgestreckte Zunge – das gibt dieser Musik den letzten Pfiff und macht den Unterschied zwischen einer 10 und einer 8.
Wo’s ernsthafter zugeht, wird sich kaum etwas einwenden lassen. Vor allem das massive Doppel aus Präludium und Fuge liegt Marcus Bosch – gleich fällt mir sein vorzüglicher Aachener Bruckner wieder ein –, und auch die beiden Konzertsachen werden mit dem gebotenen Sinn für Innenspannung und Valeurs ausgeführt. Davon profitiert insbesondere das stimmungsvolle, mit seinen knapp neun Minuten sehr übersichtlich angelegte „Nachtstück” für Violine (Solo: Erez Ofer), Harfe, vier Hörner und Streicher, das Michael Wittmann durchaus zu Recht als eine Reaktion auf Mahlers „Adagietto” bezeichnet: Die intensive, mit mancherlei Wagner-Anspielungen ausgestattete Partitur lässt zwar auf eine ganz leise Ironie schließen, doch zwischen den Zeilen zeigt sich zugleich der faszinierende Charakter, der in ein paar Jahren den überwältigenden Ritter Blaubart schreiben wird.
Das weitaus problematischste Stück des vorliegenden Programms ist das Konzertstück E-Dur, um dessen anspruchsvolle Solostimme sich Sophie Jaffé mit viel Engagement bemüht. Bis zum Finale hat die junge Dame viele glanzvolle und klangschöne Aufgaben zu lösen, die Reznicek jedoch – ich sage es mit unverhohlener Wehmut – bedauerlicherweise nicht so zwingend miteinander verknüpft hat, dass das Ganze eine reine Freude wäre. Dem „schottischen Originaltanz”, mit dem das Stück zu Ende geht, hätte man mit frechem Humor einiges abgewinnen können. Doch der ist, wie bereits ausgeführt, um Einiges zu kurz gekommen.
Rasmus van Rijn [04.10.2016]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Emil Nikolaus Reznicek | ||
1 | Goldpirol (Idyllische Ouvertüre) | 00:11:26 |
2 | Wie Till Eulenspiegel lebte (Sinfonisches Zwischenspiel in Form einer Ouvertüre) | 00:11:28 |
3 | Konzertstück E-Dur für Violine und Orchester | 00:22:45 |
6 | Praeludium und Fuge c-Moll | 00:11:02 |
8 | Nachtstück für Violine, Hörner, Harfe und Streichorchester | 00:08:42 |
Interpreten der Einspielung
- Sophia Jaffé (Violine)
- Rundfunk Sinfonieorchester Berlin (Orchester)
- Marcus Bosch (Dirigent)