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Besprechung CD/SACD stereo/surround

Prokofiev

Suites from The Gambler & The Tale of the Stone Flower

BIS 2301

1 CD/SACD stereo/surround • 63min • 2016, 2017, 2018

03.06.2020

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 8
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Für Prokofieff, den Meister der grotesken Charakterüberzeichnung, war der Stoff seiner Dostojewsky-Oper Le Joueur (Der Spieler) op. 24 von 1916 ein kreativer Idealfall. 1927-28 revidierte er das Werk und frischte es auf, worauf er auf höchst extravagante Weise die Symphonische Suite op. 49 extrahierte: Er zerlegte eine gedruckte Partitur, sortierte die Seiten den Hauptcharakteren zu und schuf nun vier Portraits mit abschließendem Dénouement als 5. Satz.

Apart zusammengestelltes Programm

Diese Komposition bildet den einen Eckpfeiler dieser CD, beschließend ergänzt von den beiden vollendeten Suiten aus dem magischen Märchenballett Die steinerne Blume op. 118, das ihn in seinen letzten Jahren intensiv beschäftigte, bei der postumen Uraufführung floppte und erst später als Symbolwerk des sozialistischen Realismus erfolgreich missbraucht wurde: der Hochzeits-Suite op. 126 und der Zigeunerfantasie op. 127 (die Ural-Rhapsodie op. 128 ist hier nicht enthalten, während Prokofieff die Suite Die Herrin der Kupferberge op. 129, die wohl die eigentliche geistige Essenz des Märchens konzentriert hätte offenbaren sollen, nicht mehr vollenden konnte). In vorliegender Einspielung ist die gut achtminütige Zigeunerfantasie zwischen den 3. und 4. Satz der fünfsätzigen Hochzeits-Suite eingefügt, was dem Ganzen eine gewisse Geschlossenheit und dramaturgische Stringenz verleiht. Außerdem ist dem die Hochzeits-Suite eröffnenden Lieblichen Tanz die das Ballett eröffnende Vorstellung der Herrin der Kupferberge derart vorangestellt, dass der Tanz quasi unmerklich, ohne Zäsur aus dem Vorspiel hervorgeht.

Zwischen den Spieler-Portraits und den Stücken aus dem Märchen von der Steinernen Blume findet sich im Zentrum der CD ein Frühwerk: die 1910-14 entstandene, 1934 revidierte Herbstskizze op. 8, die noch unverkennbar in einer Tradition steht, die in diesem Fall schwerpunktmäßig mit Rachmaninoff in Verbindung zu bringen ist.

Fein und ohne Lärm, aber auch etwas aufgeweicht

Die Zusammenstellung dieses Albums ist stimmig und feinfühlig, die Ausführung ist auch überwiegend erstaunlich feinfühlig, das Lahti Symphonie-Orchester spielt mit hoher instrumentaler Klasse auf, und sein seit 2016 amtierender russischer Chefdirigent Dima Slobodeniouk (geb. 1975) hat einen spürbar sensitiven Bezug zur Musik, vor allem im Verhaltenen, leise Tastenden, Lyrischen, und er lässt es auch – wohltuend abseits der verbreitetsten, schlimmsten Dirigenten-Todsünde bei Prokofieff! – keineswegs fortwährend maßlos krachen.

Woran es mangelt, ist vor allem die rhythmische Entschiedenheit insbesondere hinsichtlich der vorgeschriebenen subtilen Tempowechsel und -relationen, und das rhythmische Stilgefühl, was hier bedeutet, dass viel zu oft Ritenuti vor Übergängen gemacht werden, was die Musik romantisierend sentimentalisiert, sie jedoch zugleich nicht nur in ihrer strukturellen, sondern auch in ihrer emotionalen Intensität schwächt. Dies betrifft gelegentlich auch flüchtige Accelerandi hin zu bewegteren Abschnitten. In beiden Fällen ist es meist so, dass es eben gerade der kontrastierenden Gegenüberstellung des Charakters bedarf, um der Form jene klare Kontur und dramaturgische Proportion zu schenken, derer es für die deutliche Charakterzeichnung ebenso bedarf wie für den großen Zusammenhang. Hier jedoch werden die Umrisse der Zeichnung immer wieder etwas aufgeweicht.

Mehr Gegensätzlichkeit!

Außerdem ist zu bedauern, dass sehr oft nicht die von Prokofieff vorgegebenen Tempobezüge verwirklicht werden, also das schneller geforderte nicht schneller oder das breiter geforderte nicht breiter umgesetzt wird. Das geht ganz besonders in der Spieler-Suite zu Lasten der satirischen Charakter-Überzeichnung, die man vielleicht am besten als musikalische Karikaturenfolge bezeichnen kann. Da wäre viel mehr Spannung, viel mehr Konfrontation, viel mehr Gegensätzlichkeit drin! Und die ‚Zigeunerfantasie‘ dürfte wesentlich zigeunerischer sein, besonders auch in den Beschleunigungen im Zigeunertanz (bis hin zum Ende, wo es in den Tanz des Severian übergeht) und auch zum Ende des Tanzes des Severian hin, bevor nach einer Generalpause der zauberhaft lyrische Tanz der Zigeunerin folgt. Aber auch in der Eröffnung und im abschließenden gemeinsamen Tanz wäre eine archaisch erdigere (natürlich nach wie vor elegant bewegliche) Darstellung ein Gewinn. Das alles soll die ausgezeichnete orchestrale Leistung nicht schmälern. Hervorragender BIS-Standard ist das klare, kraftvoll räumliche, durchsichtige Klangbild (Christian Starke bzw. Matthias Spitzbarth), der Begleittext informiert steigerungsfähig solide. Die großartige Musik ist jedenfalls hörenswert.

Christoph Schlüren [03.06.2020]

Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Sergej Prokofjew
1Four Portraits and Dénouement from The Gambler op. 49 00:25:54
6Autumnal Sketch op. 8 00:06:33
7The Mistress of the Copper Mountain (Prologue to The Tale of the Stone Flower op. 118) 00:04:14
8Wedding Suite op. 126 00:11:49
11Gypsy Fantasy op. 127 00:08:10
16Ceremonial Dance (Wedding Suite op. 126, Fortsetzung) 00:01:59
17Wedding Dance (Wedding Suite op. 126, Fortsetzung) 00:03:00

Interpreten der Einspielung

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