George Jeffreys
Lost Majesty
Sacred Songs and Anthems
Prospero Classical PROSP0086
2 CD • 1h 26min • 2022
21.02.2024
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Selbst mir, der sich auf die Kenntnis der englischen Musik des 16. - 18. Jahrhunderts ziemlich viel einbildet, war der Name George Jeffreys (um 1610 – 1685) völlig unbekannt. Dies mag daran liegen, dass Jeffreys zeitlebens hauptberuflich Sekretär und Administrator der Liegenschaften des 1. Baron Hatton auf Kirby Hall in Northamptonshire im östlichen Mittelengland war. Während des Oxforder Exils der Royalisten im englischen Bürgerkrieg avancierte er zum Organisten des 1649 von den Puritanern hingerichteten Charles I. Solomon’s Knot präsentiert eine fulminante Ersteinspielung der 2021 erstmalig in Band 105 der Musica Britannica erschienenen englischen geistlichen Lieder und Anthems.
Italia in Anglia
Italienisches war im England der ersten Stuart-Könige modern. Man denke nur an die von Andrea Palladio inspirierte Architektur des Inigo Jones, der den Klassizismus nach den Prinzipien des Vitruv in England einführte. So ist es nicht verwunderlich, dass die Bibliothek des musikliebenden 1. Barons Christopher Hatton auf Kirby Hall eine umfängliche Sammlung italienischer Drucke von Werken der Basso-Continuo-gestützten Vokalmusik im Stil der „seconda pratica“ der Monteverdi-Zeitgenossen vom Alessandro Grandi bis hin zu Giacomo Carissimi enthielt. Verwalter Jeffreys, der wohl neben einer juristischen auch eine musikalische Ausbildung erhielt und als talentierter Tastenspieler galt, hatte nebenher die Aufgabe, aus den Partituren das benötigte Aufführungsmaterial zu erstellen. Dies bot ihm die Möglichkeit den neuen italienischen Stil zu studieren, sich anzueignen und auf englische Texte anzuwenden.
Seine fünfstimmigen Anthems entstanden um 1640, die vierstimmigen wohl in den 1660er Jahren. Bis auf eine zweistimmige Motette, die 1674 bei Playford erschien, liegen seine Kompositionen nur in einer eigenhändigen Sammlung aller Kompositionen und verschiedenen Abschriften vor. Diese Überlieferung mag der Grund für die Tatsache sein, dass seine Werke erst seit etwa 2010 größere Beachtung fanden. Jeffreys Instrumentalmusik, weltliche italienische und englische Kompositionen und Motetten für 1 bis 3 Stimmen können kostenlos aus der „York Early Music Series“ heruntergeladen werden. Musica Britannica erscheint bei Stainer & Bell.
Jeffreys passt in diesen Vokalwerken den italienischen Concertato-Stil der harmonisch reicheren englischen Tradition eines William Byrd oder John Dowland an, was an seinen Zeitgenossen John Locke erinnert, und schafft in Busy time this day auf den Bethlehemitischen Kindermord (CD1, Tr. 2) äußerst expressive Texturen, wie auch in der „wilden“ Chromatik von A music strange (CD1, Tr. 8). Das ist durchaus auf Niveau des Israelisbrünnleins von Johann Hermann Schein und der Musicalischen Exequien von Heinrich Schütz.
Funde, perfekt ausgegraben
Solomon’s Knot, die im vergangenen Jahr bereits eine Musteraufnahme der Motetten Johann Christoph und Johann Sebastian Bachs vorlegten, glänzen auch bei dieser Aufnahme wieder durch ein natürliches Zuführen des Textes an die Musik. Die Intonation ist makellos, die Interpretation zwingend. Koloraturen und Ornamente werden sauber gebunden. Der Klang mischt sich, wenn er sich mischen soll und bleibt auch in exponierter Lage der Soprane immer rund, er bleibt immer transparent, was bedeutet, dass in den Proben sorgfältig herausgearbeitet wurde, wann eine Stimme besonderes Gewicht benötigt und wann nicht. Damit musiziert sich Solomon’s Knot in die erste Reihe der Vokalensembles.
Aufnahme und Booklet de luxe
Dass man für die Aufnahme den Prunksaal, den einzig noch intakt erhaltenen Raum der ansonsten nur noch als Ruine bestehenden Kirby Hall wählte, gibt der Aufnahme eine besondere Authentizität. Dass Interessierte die wunderbar klingende hochaufgelöste Aufnahme per QR-Code herunterladen können, ist purer Luxus, wie auch der vom Herausgeber der Werke, Jonathan Wainwright, und dem Organisten der Aufnahme William Whitehead verfasste, fotographisch reich illustrierte Booklet-Text
Fazit: Ausgesprochen spannende, perfekt interpretierte Musik eines bisher vernachlässigten englischen Komponisten des Frühbarock. Klarer Kandidat für die Jahresliste und somit unbedingt empfohlen.
Thomas Baack [21.02.2024]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
George Jeffreys | ||
1 | Hark, shepherd swains (For the Nativity of our most Blessed Saviour) | 00:05:10 |
2 | Busy time this day (For the Blessed Innocents' Day) | 00:04:39 |
3 | Brightes of days (For the Epiphany) | 00:05:25 |
4 | Whisper it easily (On the Passion of our Blessed Saviour) | 00:05:31 |
5 | Rise heart, thy Lord is risen (For the Resurrection of our Blessed Saviour) | 00:06:41 |
6 | Look up, all eyes (For the Ascension of our Blessed Saviour) | 00:04:43 |
7 | The Lord in thy adversity | 00:07:54 |
8 | A music strange (For Whitsunday) | 00:06:43 |
CD/SACD 2 | ||
1 | What praise can reach thy clemency | 00:06:22 |
2 | Turn thee again | 00:06:24 |
3 | Awake my soul | 00:03:39 |
4 | How wretched is the state you all are in | 00:04:38 |
5 | In the midst of life | 00:04:15 |
6 | Turn thou us, O good Lord | 00:05:10 |
7 | Great and marvellous are thy works | 00:04:44 |
8 | He beheld the city | 00:03:52 |
Interpreten der Einspielung
- Solomon's Knot (Vokalensemble)
- Josep Maria Martí Duran (Theorbe)
- William Whitehead (Orgel)