„Dieser Mann ist ein Genie!“ – keine Geringere als die Klavierlegende Martha Argerich sagte dies über Ivo Pogorelich und sorgte mit diesem Ausspruch 1980 beim Warschauer Chopin-Wettbewerb für einen handfesten Eklat, indem sie wütend den Saal und die Jury verließ. Pogorelich war nach der dritten Runde aufgrund seiner radikalen und unorthodoxen Spielweise ausgeschieden. Auch Nikita Magaloff und Paul Padura Skoda kritisierten die Jury-Entscheid scharf. Bereits 1978 hatte Pogorelich den Alessandro-Casagrande-Wettbewerb im italienischen Terni und 1980 den Internationalen Musikwettbewerb in Montreal gewonnen. Der Eklat beim Chopin-Wettbewerb aber katapultiere ihn schlagartig in eine Weltkarriere, wie es der Gewinn des Wettbewerbs selbst nicht gekonnt hätte. Am 20. Oktober 1958 wurde Pogorelich in Belgrad geboren. Sein Vater war Kroate, seine Mutter Serbin. Mit sieben Jahren begann seine Klavierausbildung, 1970 ging er zunächst an die Zentrale Musikschule in Moskau, anschließend wechselte er an das Moskauer Tschaikowsky-Konservatorium. Ab Ende 1976 wurde er von der Pianistin Aliza Kezeradze unterrichtet, die nach eigenen Aussagen für ihn maßgeblich für seine künstlerische „Weiterentwicklung und seinen beruflichen Erfolg“ verantwortlich war. Seit 1980 bis zu ihrem Tod 1996 war er mit ihr verheiratet. Nach seinem fulminanten Karrierebeginn trat er zwei Jahrzehnte lang an allen großen Konzerthäusern der Welt auf und spielte mit den renommiertesten Orchestern und Dirigenten, wobei er sich nicht nur auf ein kleines Repertoire beschränkte, sondern auch auf maximal 60 Konzerte pro Jahr. Aufgrund seiner großen Popularität auch über den Klassikbereich hinaus konnte er entsprechend hohe Gagen fordern. Der „streitbare Tastenlöwe“ kritisierte in Interviews gnadenlos Pianistenkollegen wie Swjatoslaw Richter, Glenn Gould oder Vladimir Horowitz, nannte Herbert von Karajan eine „künstlerische Ruine“ und überwarf sich mit ihm. Nach dem Tod seiner Frau zog sich Pogorelich mehr und mehr aus dem Konzertbetrieb zurück, einerseits wegen des Bürgerkriegs in seinem Heimatland, andererseits aus gesundheitlichen Gründen. Seit 2010 trat er wieder regelmäßig auf europäischen und ostasiatischen Bühnen mit Orchester- und Soloprogrammen auf. Im Dezember 2017 war er erstmals wieder nach 28 Jahren Abwesenheit in seiner Geburtsstadt Belgrad zu hören. Im Frühjahr 2015 wurden seine Aufnahmen aus den Jahren 1981 bis 1997 von der Deutschen Grammophon neu aufgelegt. Die zwölf Einspielungen zählen bis heute „zu den bestverkauften aus dem Klavierkatalog“ des Labels. 1994 gründete er die Sarajevo Charitable Foundation, mit deren Erlöse er den Aufbau eines Mutter-Kind-Hospitals und anderen humanitären Projekten in Bosnien förderte. Im Jahr 1987 wurde Ivo Pogorelich als erster klassischer Musiker von der UNESCO zum „Ambassadeur de la bonne volonté“ ernannt. Zu all seinen Erfolgen kann man nur gratulieren und weiterhin alles Gute wünschen!