Dass Hélène Grimaud einmal eine der bedeutendsten Pianistinnen unserer Zeit werden würde, hat vor fünfzig Jahren sicherlich niemand vermutet. Am 7. November 1969 in Aix-en-Provence geboren, litt Hélène Grimaud als Kind an einem Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom. Doch die Musik erwies sich bei ihr als heilsam, denn als Hélène mit sechs Jahren mit dem Klavierspielen begann, zeigte sich nicht nur ihre außergewöhnliche musikalische Begabung, sondern es verschwanden allmählich auch die Aufmerksamkeitsstörungen. Sie hatte zunächst Unterricht bei Jacqueline Courtin am Konservatorium ihrer Heimatstadt, dann bei Pierre Barbizet in Marseille. Mit dreizehn Jahren bestand Hélène die Aufnahmeprüfung am Pariser Conservatoire, bewies aber hier schon einen so starken eigenen Willen, dass sie das Conservatoire bereits ein Jahr später wieder verließ, weil sie sich mit dem geforderten Repertoire nicht identifizieren konnte. Zurück in Aix-en-Provence, spielte sie am dortigen Konservatorium das zweite Klavierkonzert von Chopin. Einen Mitschnitt dieses Konzerts gab einer ihrer Lehrer an das japanische Label Denon weiter, welches Hélène Grimaud spontan einen Plattenvertrag anbot, der 1985 zu ihrer ersten Veröffentlichung führte: Mit der Einspielung der zweiten Klaviersonaten von Sergei Rachmaninoff gewann sie den Grand Prix du Disk der Akademie Charles Cros. Im gleichen Jahr schloss sie ihr Studium mit einem ersten Preis des Konservatoriums ab. Sie nahm weiter Unterricht bei György Sándor und Leon Fleisher. Zwei Jahre später gelang ihr der internationale Durchbruch: Sie nahm an der Midem de Cannes teil, spielte auf dem Klavierfestival in La Roque-d’Anthéron, gab erfolgreich ihr erstes Recital in Tokio und wurde von Daniel Barenboim eingeladen, mit dem Orchestre de Paris aufzutreten. Seitdem wurde sie von namhaften Spitzenorchestern und Dirigenten als Solistin eingeladen und von Presse und Kritik weltweit als Shootingstar gepriesen. Sie erhielt zahlreiche Preise und Auszeichnungen wie den Cannes Classical Recording of the Year, den Choc du Monde de la musique, den Diapason d’or, den Grand Prix du disque, den Record Academy Prize (Tokio), den Midem Classic Award und den ECHO Klassik. Sie veröffentlichte zahlreiche Einspielungen unter den Labels Denon, Erato, Teldec und Deutsche Grammophon. Ihre große Popularität nutzt sie jedoch nicht nur zum Selbstzweck, sondern sie engagiert sich auch für den Naturschutz und setzt sich für die Einhaltung der Menschenrechte ein. Auch als Buchautorin ist Hélène Grimaud in Erscheinung getreten und hat 2005 eine erste Autobiografie veröffentlicht (Wolfssonate. Blanvalet, München), in der sie die frühen Jahre ihrer Karriere und ihre besondere Bewunderung für Wölfe beschreibt. Es folgten 2007 Lektionen des Lebens. Ein Reisetagebuch (Blanvalet, München) und 2014 Das Lied der Natur. Romantische Fantasien (Bertelsmann, München). 2015 erhielt Hélène Grimaud den Preis des Klavier-Festival Ruhr, der vom Intendanten Franz Xaver Ohnesorg ins Leben gerufen wurde, um außerordentliche pianistische Leistungen zu würdigen und einen Pianisten für sein Lebenswerk auszuzeichnen. Anlässlich ihres runden Geburtstages kann man dazu nur gratulieren: Alles Gute und weiterhin viel Erfolg Hélène Grimaud!
Tabellarische Biographie
1969 | Geboren in Aix-en-Provence |
1977 | Erster Klavierunterricht in ihrer Heimatstadt, Studium bei Pierre Barbizet am Konservatorium in Marseille |
1981 | Hélène Grimaud besteht als Beste die Aufnahmeprüfung am Conservatoire National Supérieur de Musique in Paris, wo sie bei Jaques Rouvier studiert |
1985 | Abschluß des Studiums mit einem Ersten Preis für ihre Interpretation von Rachmaninoffs Etudes-Tableaux op. 33, Meisterkurse bei György Sandor und Leon Fleisher; erste CD bei Denon mit Werken von Rachmaninoff, für die sie den Grand Prix der Académie du Disque erhält |
1986 | Einladung zu den Festspielen von Aix-en-Provence; |
1987 | Einladung zu den MIDEM-Konzerten in Cannes und zum Klavierfestival von La Roque d'Antheron, erstes Recital in Tokio, Begegnung mit Daniel Barenboim |
1988 | Konzert mit dem Orchestre de Paris unter Daniel Barenboim; weltweit Solorecitals und Konzerte mit bedeutenden Orchestern und Dirigenten, Kammermusik u.a. mit Martha Argerich, Gidon Kremer, Shlomo Mintz, Gil Shaham und dem Hagen Quartett |
1995 | Debüt bei den Berliner Philharmonikern unter Claudio Abbado |
1999 | Exklusivvertrag mit Teldec |
2002 | Wechsel mit einem Exklusiv-Vertrag zur Deutschen Grammophon. Im gleichen Jahr Auszeichnung in Frankreich zum "Officier dans l'ordre des Arts et des Lettre". |
2004 | VÖ der CD "Credo" mit Werken von A. Pärt, J. Corigliano und Beethoven bei Deutsche Grammophon. Auszeichnung bei den französischen "Victoires de la musique" mit dem "Victoire d'Honneur". |
2006 | VÖ einer CD mit Werken von Brahms, Robert und Clara Schumann bei Deutsche Grammophon. Übersiedelung in die Schweiz. |
2007 | Veröffentlichung ihres zweiten Buches mit dem Originaltitel "Leçons particuliéres" (auf deutsch: Lektionen des Lebens). Ihr erstes Buch, die Autobiographie "Variations sauvages" (dt. "Wolfssonate") war wochenlang auf der Bestsellerliste. VÖ des fünften Klavierkonzerts von Beethoven mit der Sächsischen Staatskapelle Dresden bei der Deutschen Grammophon. Tournee mit diesem Orchester unter der Leitung von Fabio Luisi und dem fünften Klavierkonzert von Beethoven im September durch Deutschland, Italien und Polen. |
2008 | Im November und Anfang Dezember große Deutschland Tournee mit Konzerten in 12 Städten. |
2009 | Beim Konzert in Prag mit der Sächsischen Staatskapelle Dresden unter Fabio Luisi sagt die Künstlerin kurzfristig ihre Teilnahme ab. Ein "völlig unspielbarer" Flügel, den die Veranstalter jedoch nicht auszutauschen bereit waren, ist der Grund für den Eklat. |
2010 | Aus gesundheitlichen Gründen muss die Pianistin zahlreiche Konzerte in der laufenden Saison absagen, so auch das Konzert zu Saisoneröffnung im Konzerthaus Dortmund. |
2013 | Eröffnungskonzert und weitere Konzerte beim Menuhin Festival Gstaad. |
2014 | Konzert mit der Tschechischen Philharmonie unter Jiri Belolavek in der Berliner Philharmonie (Brahms). Im März Brahms-Klavierkonzert Nr. 1 d-Moll mit dem City of Brimingham Orchestra unter der Leitung von Andris Nelsons in der Alten Oper Frankfurt. Im Juni spielt sie das erste Klavierkonzert von Brahms mit der NDR Radiophilharmonie unter Eivind Gullberg (an Stelle des erkrankten Klarinettisten Martin Fröst). Ende September und im Oktober Konzertabsagen wegen einer Fingerverletzung. |
2015 | Konzert beim Klavier Festival Ruhr und Auszeichnung mit dem Preis des Festivals 2015. |
2020 | Konzert bei den Bamberger Symphonikern am 17. Januar 2021 mit dem Klavierkonzert G-Dur von Maurice Ravel unter der Leitung von Jakub Hrůša. |
2021 | Das Schleswig-Holstein Musik-Festival ernennt Hélène Grimaud zur Portrait-Künstlerin. Leider kann die Pianistin wegen der Corona-Reisebeschränkungen nicht nach Deutschland kommen. |
2022 | Solistin bei der Europa-Tournee des Pittsburgh Symphony Orchestra mit Konzerten bei Festivals in Slowenien, Österreich und Deutschland unter der Leitung von Manfred Honeck. |