Dynamic CDS 369/1-3
3 CD • 2h 56min • 2000
01.06.2001
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Rossinis Otello, als opera seria für Neapel komponiert, ist zweifellos ein Meisterwerk seiner Zeit, hat es allerdings heute schwer. Die an sich problematische Notwendigkeit, fünf Tenöre zu rekrutieren, schrumpft zum sekundären Störfaktor, wenn man laufend die Omnipräsenz von Verdis dramaturgisch viel besserer Tragödie fühlt. Hört man Rossinis Werk in der sogenannten Malibran-Fassung, also mit einem Mezzosopran als Otello, fungieren unsere heutigen Hörgewohnheiten als weiteres Hemmnis. Es war nicht so ungewöhnlich, daß die berühmte Maria Malibran 1831 in Paris tat, was Giuditta Pasta schon zwei Jahre früher in London getan hatte: Rossinis Otello für sich als Hosenrolle zu beanspruchen. In der Phase des Überganges von der Ära der Kastraten zu jener der Tenöre entschlossen sich Komponisten immer wieder, männliche Bühnenfiguren mit Mezzo- oder Alt-Stimmen in Verbindung zu bringen. Rossini war darin keine Ausnahme (bekanntestes Beispiel: Tancredi), vermied aber dieses Vorgehen tunlichst, wenn er für Neapel komponierte, wo es damals viele gute Tenöre gab.
Was nun die vom Festival della Valle d'Itria in Martina Franca vorgestellte Partitur anlangt, wurden durch die Fondazione Rossini in Pesaro Authentizitätszweifel deponiert, weil die Noten für die Malibran-Auftritte nicht vorhanden seien. Es handle sich um eine Mezzofassung der Tenornotierung, während aber für die Pariser Aufführungen von 1831 das Eingreifen des Komponisten nötig gewesen sei. Wie auch immer: Die CD bietet neben dem (üblichen) tragischen Finale auch das 1819 für Rom hergestellte Happy-End an, überrascht aber mit einer (unbeabsichtigten?) Auslassung des Beginnes des "Finale tragico".
Ein anfangs unsicherer Chor und ein beachtliches Orchester bildeten die Basis einer energisch und sorgfältig geleiteten Aufführung. Um den weiblich besetzten Titelhelden bemühte sich Irine Ratiani mit beweglichem, leider recht hellem Mezzo. Sie erzielt durchaus auch dramatische Präsenz, neigt jedoch zu Schärfen und bei forciertem Einsatz zu flackernder Tonproduktion; ungenaue Intonation nicht ausgeschlossen. An vokaler Ausstrahlung mangelt es der Protagonistin jedenfalls erheblich. Den Stilprinzipien des Belcanto wesentlich näher kommt Patrizia Ciofi als teilnahmsvolle Desdemona: Ihr kultivierter, agiler Sopran hat Substanz für dramatische Phrasen und eine gute Höhe. Gregory Bonfatti ist ein vorzüglicher Jago mit ebenmäßigem, metallischem Tenor, Simon Edwards hat als romantischer, temperamentvoller Rodrigo die ergiebigere Partie mit einer wunderschönen lyrischen Arie (CD 2/Tr. 2). Soon-Won Kong schließlich beweist als Elmiro imposante Baß-Statur. Textheft ital./engl.
Hermann Schönegger [01.06.2001]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Gioachino Rossini | ||
1 | Otello |
Interpreten der Einspielung
- Patrizia Ciofi (Sopran)
- Irine Ratiani (Mezzosopran)
- Simon Edwards (Tenor)
- Gregory Bonfatti (Tenor)
- Soon-Won Kang (Baß)
- Kammerchor Bratislava (, Chor)
- Orchestra Internazionale d'Italia (Orchester)
- Paolo Arrivabeni (Dirigent)