Naxos 8.660072-73
2 CD • 2h 01min • 1999
03.03.2003
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Man kann Jules Massenets heute – gegen den Widerstand der Goetheaner – wohl meistgespielte Oper Werther als Star-Vehikel präsentieren oder aber, wie es schließlich in der Partitur steht, als „drame lyrique“. Diesen zweiten Weg beschreitet die vorliegende Aufnahme. Vielleicht sucht sie aus der Not eine Tugend zu machen: In der französischen Provinz sind Diven und Supertenöre eben schwer zu kriegen. Dabei geschieht gerade hier oft Bemerkenswerteres als in der Metropole Paris; dabei wetteifert Lille, wo Jean-Claude Casadesus seit über einem Vierteljahrhundert seines Amtes waltet, mit Lyon, Toulouse und Montpellier. Casadesus weiß, was er Massenet schuldig ist; Werther nicht als früher Verismo, sondern als Vorstufe zu Debussy. Der Dirigent erstrebt einen „style français“, – subtile Zwischentöne, Sensuelles mit gelegentlich sogar sentimentalem Einschlag. Casadesus kann sich dabei, mit einer Ausnahme, auf Sänger aus dem eigenen Land stützen, was gerade im Umgang mit der Sprache ein wesentlicher Vorteil ist.
Dafür muss man wohl einige vokale Mängel in Kauf nehmen, obwohl sich der erfahrene René Massis (als Albert) und vor allem Béatrice Uria-Monzon als Charlotte vorzüglich bewähren; die letztere, unlängst die Carmen in der Einspielung Alain Lombards, steuert die emotionalen Crescendi sehr gezielt an, sucht vor allem die emotionale Linie. Einziger „fremder“ Zuzug ist der Amerikaner Marcus Haddock in der Titelrolle: ein lyrischer Tenor mit einer gewissen Verengung in der oberen Lage, der immerhin in der Sterbeszene des 4. Aktes eine bemerkenswert reife Leistung bietet.
Die Aufnahme wurde bei Aufführungen in Lille mitgeschnitten; das erklärt ihr (allzu) distanziertes und mitunter dumpfes Klangbild.
Mario Gerteis † [03.03.2003]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Jules Massenet | ||
1 | Werther (Lyrisches Drama in vier Akten) |
Interpreten der Einspielung
- Marcus Haddock (Werther - Tenor)
- Béatrice Uria-Monzon (Charlotte - Mezzosopran)
- René Massis (Albert - Bariton)
- Jael Azzaretti (Sophie - Sopran)
- Jean-Philippe Marlière (Le Bailli - Bariton)
- Jean-Sébastien Bou (Johann - Bariton)
- Jean Delecluse (Schmidt - Tenor)
- Maîtrise Boréale (Les Elefants)
- Orchestre National de Lille Région Nord-Pas de Calais (Orchester)
- Jean-Claude Casadesus (Dirigent)