Sony Classical SMK 87854
1 CD • 63min • 2002
15.04.2003
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Christoph Schlüren weist in seinem einfühlsamen Booklet-Text darauf hin, daß Ravels Werke in ihren jeweiligen Klavier- und Orchesterrealisationen gleichermaßen gut zu wirken vermögen, sofern sie in kompetenten Händen sind. Die besitzt der phänomenale Pianist Juan-José Chuquisengo, der für sein Sony-CD-Debüt eine geradezu sensationelle Ravel-Einspielung vorgelegt hat. Schon von der rein sinnlichen Seite her wirkt sein Spiel derart elektrisierend, daß mir beim Anhören der CD wohlige Schauer den Rücken überliefen. Wer das Glück hatte, diesen überragenden Pianisten schon einmal live hören zu dürfen, weiß, daß diese Studio-Produktion dem Konzerterlebnis in nichts nachsteht. Und man versteht, warum der große Celibidache diesen Musiker mit geradezu enthusiastischen Komplimenten empfahl.
Chuquisengo gelingt es vorbildlich, den unerhörten Reichtum an Farben und überlagernden Klangschichten, vor allem jedoch die komplex verästelten Seelenwelten Ravels zu realisieren. Zugleich fällt man als Hörer so tief in die Musik hinein, daß man dem Spieler gar keine Aufmerksamkeit mehr schenkt, so völlig wird Chuquisengo selbst Musik. Der oberflächlichen Verspieltheit in den ornamentischen Partien der Musik Ravels entspricht Chuquisengo mit gelöster Heiterkeit; wie Schneeflocken hingetupft sind die Chinoiserien der zweihändigen Bearbeitung von Ma mère l’oye (Tr. 3, 0’51). Über Details der Bearbeitung kann man selbstverständlich geteilter Meinung sein; meinem Empfinden nach hätte man eben dort beispielsweise die Gongschläge der Partitur (das wäre hier Tr. 3, 1’05) unbedingt auch auf dem Klavier realisieren sollen, da sie wesentlich zum Kolorit beitragen. Auch stößt selbst die atemberaubende Weiträumigkeit, mit der Chuquisengo weite Bögen ziehen kann, im Jardin féerique (Tr. 5) an die Grenzen der Klavier-Resonanz: Diesen Satz kann ein Orchester langsamer und noch wirkungsvoller musizieren.
Ein besonders eindrucksvolles Zeugnis Chuquisengo’scher Gestaltungskunst ist Gaspard de la nuit. Die abgründigen Schrecken, die der Pianist heraufbeschwört, lassen dem Hörer am Ende von Le Gibet fast das Herz stocken. Krönender Schlußpunkt der CD ist Chuquisengos aberwitzige Version, die er nach der Klavierskizze Ravels zu La Valse herstellte. Unerhört sind vor allem die meisterhaft verblendeten Übergänge der einzelnen Walzer-Episoden und die zielgerichtete Disposition der Spannungskurve des Werks mit Höhepunkten, Tiefpunkten und Zwischenspielen bis hin zur dramatischen Wucht des abrupten Schlusses.
Nur schade, daß es gerade in diesem Werk gelegentlich klirrt (zumindest auf meiner Anlage). Im Übrigen kann sich jeder Musiker glücklich schätzen, wenn dessen Intentionen in der Produktion so liebevoll begleitet werden wie hier: Die Leistung der Tontechniker ist kongenial zur musikalischen Gestaltung und ein kleines Meisterwerk für sich.
Dr. Benjamin G. Cohrs [15.04.2003]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Maurice Ravel | ||
1 | Ma mère l'oye (Bearb. für Klavier solo) | |
2 | Gaspard de la nuit | |
3 | Pavane pour une infante défunte | |
4 | Jeux d'eau | |
5 | La valse (Poème choréographique - Bearb. für Klavier) |
Interpreten der Einspielung
- Juan José Chuquisengo (Klavier)