dacapo 6.220507-08
2 SACD • 2h 15min • 1977
17.01.2005
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Der dänische Komponist Carl Nielsen (1865–1931) hat zwei Opern geschrieben: Saul og David (1902) und Maskarade (1905). Beiden Werken blieb trotz ihrer kunst- und gehaltvollen Musik der überregionale Erfolg versagt. Von Saul og David ist 1989 bei Unicorn-Kanchana (DKP 9086/87) eine Gesamteinspielung erschienen, allerdings in englischer Sprache. Maskarade, Nielsens zumindest in Dänemark erfolgreichste Oper, wird nun in einer authentischen Wiedergabe dargeboten, die zwar schon vor mehreren Jahrzehnten entstanden ist, aber keinerlei Spuren von Antiquiertheit aufweist. Um es gleich vorweg zu nehmen: das Künstlerensemble, das für diese Aufnahme aus dem Jahr 1977 zur Verfügung stand, läßt sich wahrhaftig als Idealbesetzung bezeichnen, ausnahmslos alle, ob Sänger oder Instrumentalisten, beteiligen sich mit präziser Pointierung und federleichter Komödiantik an dem heiteren Spiel, so daß es eine wahre Freude ist, dem musikalischen Ablauf zu folgen. Es sind keine berühmten Namen darunter – höchstens abgesehen von Aage Haugland, der damals noch am Anfang seiner Laufbahn stand und nur in einer Nebenrolle beschäftigt wurde –, aber ganz gleich, ob schwärmerisch-schmachtende Verliebte, schlaue Bedienstete oder plumpe Dummköpfe: allesamt gewinnen sie eine geradezu szenisch erlebbare Realität.
Das Libretto von Maskarade beruht auf einem alten Lustspiel von Holberg, dessen harmlose Handlung darin besteht, daß ein Jüngling sich auf einem Ball in ein Mädchen verliebt, aber auf Befehl seiner Vaters eine andere, die er gar nicht kennt, heiraten soll. Am Ende stellt sich heraus, daß die „eine“ ohnehin identisch mit der „anderen“ ist. Rund um diesen extradünnen Handlungsfaden gibt es allerlei Schwänke und Narreteien, die Gelegenheit zu kleinen, prägnant ausgeführten Episoden bieten.
Nielsen hat die alte Form der Nummernoper nicht direkt verwendet, wohl aber in Form von Andeutungen in seine Partitur hineingekommen. Bei Saul og David war noch der Einfluß Wagners wahrnehmbar, in diesem Lustspiel ist man hingegen weit eher geneigt, an Mozart zu denken, obwohl auch hier manchesmal reguläre Meistersinger-Motive durchschimmern. Nielsens leichtgewichtige aber keineswegs oberflächliche Musik besticht durch ihre Frische und Farbigkeit, sie enthält viele ariose Stellen, eine Reihe von vielstimmigen Ensembles, dazu schwungvolle Tänze und Chöre, in denen volkstümliche Themen anklingen. In gewisser Weise erinnert sein kompositorisches Verfahren an die opera buffa-Wiederbelebung durch Wolf-Ferrari, die sich in ungefähr derselben Zeit zugetragen hat.
Opernfreunden ist diese Aufnahme wärmstens zu empfehlen, sie werden Bekanntschaft mit einem heiteren, liebenswürdigen Werk schließen. Durch die Beigabe einer deutschen Übersetzung des Librettos wird den Hörern der Zugang zu Nielsens Meisteroper erleichtert.
Clemens Höslinger [17.01.2005]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Carl Nielsen | ||
1 | Maskarade |
Interpreten der Einspielung
- Ib Hansen * 1928 (Jernonimus, Ein Kopenhagener Bürger)
- Gurli Plesner (Magdelone, Jeronimus' Frau)
- Tonny Landy (Leander, Jeronimus' Sohn)
- Mogensq Schmidt Johansen (Henrik, Leanders Diener)
- Kristian Sørensen (Arv, Hausdiener)
- Gert Bastian (Leonard, ein Mann aus Slagelse)
- Edith Brodersen (Leonora, Leonards Tochter)
- Tove Hyldgaard (Pernille, Kammerzofe der Leonora)
- Jørgen Klint (Ein Nachtwächter)
- Hans Christian Andersen * 1805 (Wachtmeister)
- Michael W. Hansen (Ein Maskenhändler)
- Aage Haugland (Der Meister der Maskerade)
- Ove Verner Hansen * 1932 (Ein Magister)
- Peter Bach-Mortensen (Ein Junge mit Blumen)
- Danish National Radio Choir (Chor)
- Danish National Symphony Orchestra /DR (Orchester)
- John Frandsen * 1956 (Dirigent)