harmonia mundi HMC 901872
1 CD • 54min • 2004
17.06.2005
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Seit 2003 ist Daniel Reuss als Nachfolger Marcus Creeds Chef des RIAS-Kammerchors. Eine seiner ersten diskographischen Taten mit seinem neuen Ensemble gilt wichtigen a-capella-Werken Francis Poulencs, und an der überragend hohen Qualität dieser Einspielung kann man leicht ablesen, daß die noch junge künstlerische Partnerschaft sowohl Dirigent als auch Ensemble gut tun. In den köstlichen Miniaturen Poulencs aus den Jahren 1936 bis 1948 präsentiert sich der Elitechor in allen Registern ausgewogen und dabei so geschmeidig auf feinste Tempomodifikationen reagierend, daß man oft den Eindruck hat, es würde eine einzige, übernatürliche Stimme singen. Reuss macht jedoch aus seinen Interpretationen nicht nur ein chorisches, sondern auch ein künstlerisches Ereignis. Man höre, wie einfühlsam er die ganz unterschiedlichen Farbwelten der einzelnen Sammlungen auseinanderhält: Die Sept Chansons von 1936 bezaubern mit ihrer Leichtigkeit; in Par une nuit nouvelle etwa gefallen die federnden Rhythmen, die anspringende, aber keinesfalls aufdringliche Behandlung der Konsonanten, nicht zuletzt die Grazie, mit der die Soprane ihre gewundenen Linien ausformen. In diesem Zyklus wechseln die Farben und Lichtverhältnisse oft so schnell, daß die Informationsdichte eines gut zehn Mal so langen Werkes aufscheint – doch unaufgeregt und elegant. Auch in den weitaus tiefgründigeren Meditationen der Kantate Figure humaine begeistert die Diskretion und anrührende Zärtlichkeit, mit der dies alles kunstvoll einfach dahingesungen wird. Und wie die fantastischen Soprane am Schluß von Le role des femmes eine magisch leuchtende Spitze und damit ein immaterielles Sinnbild für den weiblichen „Reiz der Schwäche“ hinzaubern, stellt ein veritables stimmliches Kabinettsstück dar. Poulencs schlafwandlerischem Balancieren zwischen chansonhafter Leichtigkeit, kompositorischem Anspruch und geschmackvoller Popularität wird hier perfekt entsprochen. Wer einen geradezu überwältigenden Eindruck davon bekommen will, zu welchem Geistreichtum die Chormusik des 20. Jahrhunderts möglich war, sollte diese Platte intensiv auf sich wirken lassen.
Prof. Michael B. Weiß [17.06.2005]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Francis Poulenc | ||
1 | Sept chansons FP 81 für Chor a cappella (über Gedichte von Paul Eluard und Guillaume Apollinaire) | |
2 | Un soir de neige FP 126 (kleine Kantate auf einen Text von Paul Eluard) | |
3 | Figure humaine FP 120 (Kantate auf einen Text von Paul Eluard) | |
4 | Quatre petites prières de Saint François d'Assise FP 142 | |
5 | Chanson à boire (Text aus dem 17. Jahrhundert, 1925/1926 - aus: Chansons gaillardes) |
Interpreten der Einspielung
- RIAS-Kammerchor Berlin (Chor)
- Daniel Reuss (Dirigent)