Warner Classics 2564 63431-2
1 CD • 79min • 2006
11.09.2006
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Das „musikalische Gewissen von Moskau“ wurde er gelegentlich genannt: Nikolaj Myaskovsky, Schüler von Liadov und Rimsky-Korssakoff, Freund von Prokofieff und Lehrer von Khatchaturian und Kabalewski, leistete als integrer Mensch und Künstler im nachrevolutionären Russland einen wesentlichen Beitrag zur Aufrechterhaltung hoher künstlerischer Maßstäbe. Sein Werk, das neben Vokal- und Kammermusik in erster Linie Orchestermusik – darunter nicht weniger als 27 Sinfonien – umfasst, spiegelt die Zeitläufte der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts ebenso wieder wie die persönliche Suche nach Objektivität und Klarheit in den Ausdrucksmitteln.
Myaskovskys Musik der 20er Jahre stellt in ihrer komplexen Faktur und ausgeprägten Chromatik an Ausführende wie Hörer gleichermaßen hoheAnforderungen. Die sechste Sinfonie, 1921-23 komponiert, ist Myaskovskys umfangreichste Sinfonie, ein Koloss von fast Mahlerschem Ausmaß. Nur sehr oberflächlich betrachtet konnte sie als Verherrlichung revolutionären Geistes gefeiert werden. Vielmehr handelt es sich um ein schmerzliches, tief empfundenes Werk, das nicht von Ungefähr in es-Moll, der düsteren Tonart tragischer Konflikte, steht. Den über zwanzigminütigen ersten Satz charakterisieren heftige Kämpfe und leidenschaftliche Auseinandersetzungen, zu dem finsteren Scherzo kontrastiert ein wunderbar entrücktes Trio. Nach einem intensiven lyrischen Satz mit thematischen Rückbezügen und ambivalenter Grundstimmung hebt sich der Vorhang zum dramatischen Finale, das die ausgelassene Volksfeststimmung zweier Lieder aus der französischen Revolution mit der Melodie des „Dies Irae“ und einem vom Chor intonierten russischen Begräbnischoral konfrontiert und in meditativer Stimmung schließt.
Im Gegensatz zu dieser großräumigen Anlage steht die zehnte Sinfonie von 1926/27, die die traditionellen vier Sätze zu einem Einzelsatz von wenig mehr als einer Viertelstunde Dauer komprimiert. In ihrem Bezug auf Puschkins Verserzählung Der eherne Reiter könnte sie auch als sinfonische Dichtung gelten. Erst nach der durch Prokofieffs Vermittlung zustande gekommenen US-Premiere 1930 unter Leopold Stokowski wurde die blechgepanzerte Partitur als eine der originellsten Schöpfungen Myaskovskys anerkannt.
Die Wiedergaben durch das Philharmonische Orchester des Ural unter Leitung seines Direktors Dimitrij Liss sind äußerst engagiert und hochemotional. Das Presto-Scherzo der Sechsten wird atemlos vorangetrieben, in den lyrischen Abschnitten entfalten sich mitunter berückende Klangwirkungen. Zwar wird die orchestrale Brillanz und fantastische Durchsichtigkeit von Neeme Järvis Aufnahme aus Göteborg nicht ganz erreicht, doch das Herzblut, mit dem hier musiziert wird, imponiert in hohem Maße.
Sixtus König † † [11.09.2006]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Nikolai Miaskowsky | ||
1 | Sinfonie Nr. 6 Es-Dur op. 23 | |
2 | Sinfonie Nr. 10 f-Moll op. 30 |
Interpreten der Einspielung
- Domestik Choir of Ekaterinburg (Chor)
- Ural Philharmonic Orchestra (Orchester)
- Dmitry Liss (Dirigent)