Warner Classics 2564 62595-2
1 CD • 61min • 2004
10.07.2006
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Wenn der Musikbetrieb Nebenfiguren der großen Klassiker präsentiert, geschieht dies häufig aus dem Motiv heraus, das kompositorische Umfeld der Meister zu erhellen und damit wiederum deren singulären Rang zu betonen. Für solch eine bloß ergänzende Rezeption hat sich das Werk Johann Nepomuk Hummels (1778–1837) stets als zu gewichtig erwiesen. Man geht nicht zu weit, wenn man ihn als ernstzunehmenden Konkurrenten Beethovens, ja, geradezu als dessen Gegenspieler begreift: Wie Beethoven knüpfte Hummel an das Erbe Haydns und Mozarts an, aber im Kontrast zu ihm spielte er nicht seine eigene, genieartige Person gegen dieses Erbe aus. Stark vereinfacht kann man sagen, daß Hummel die Tradition innerhalb der vorgezeichneten Bahnen äußerst fruchtbar weiterentwickelte, während Beethoven diese Bahnen schon bald zu verlassen suchte.
Diesen Eindruck rufen alle drei der hier eingespielten Klaviertrios hervor; sie zeigen Hummel auf der Höhe seiner Erfindungs- und Verarbeitungskraft. Man höre nur, wie überlegen er schon im frühesten der Trios, dem Zweiten in F-Dur op. 22, das Seitenthema aus dem Hauptthema ableitet, wie Mozartisch diskret er in die Durchführung gelangt, und wie gewitzt er in der Satzcoda seine eigene Thematik in eine ferne Allusion auf Mozarts „Jupiter“-Thema ummünzt. Hat er hier seine Ahnen sozusagen freundlich gegrüßt, kann man an den beiden folgenden Trios Nr. 5 E-Dur op. 83 und Nr. 6 Es-Dur beobachten, wie Hummel seine eigenen spezifischen Stärken unabhängig von diesen weiterentwickelt. Da ist besonders die modulationsreiche Gesanglichkeit zu nennen, die das E-Dur-Trio durchzieht, oder aber der freche und dennoch freundliche Humor des Finales mit seinen Marschgesten und den heimlichen Violoncello-Pizzicati.
Größten Anteil an dieser Hummel-Sternstunde hat das Trio Voces Intimae, das auf seinen alten Instrumenten wunderbar beseelt phrasiert, ohne auch nur eine einzige Rhetorik-Floskel zu gebrauchen. Begleitfiguren werden stets poetisch aufgefaßt, wie etwa im „Rondo alla turca“ des 2. Trios, in welchem das Violoncello einen veritablen kleinen Hummel-Flug wagt (kein Wortspiel intendiert!). Die drei Italiener musizieren darüber hinaus spontan und mit schlafwandlerischer Sicherheit in puncto Zeitgefühl: Wenn die Entwicklungen auch nur einen Hauch von Gleichförmigkeit aufweisen könnte, wird etwas gerafft, oder eine frische Energiespritze gegeben; damit arbeiten die Voces intimae das formale Bewußtsein und die entsprechende Könnerschaft Hummels heraus. Besonders gut ist das zu beobachten am Kopfsatz des E-Dur-Trios, dessen epische Dimensionen unter Berücksichtigung aller Details bewältigt werden. Diese runde Stunde köstlichster Kammermusik zeigt Hummel auf dem höchsten Niveau seiner Zeit – als eine Art Beethoven ohne Pranke.
Prof. Michael B. Weiß [10.07.2006]
Anzeige
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Johann Nepomuk Hummel | ||
1 | Klaviertrio Nr. 2 F-Dur op. 22 | |
2 | Klaviertrio Nr. 5 E-Dur op. 83 | |
3 | Klaviertrio Nr. 6 Es-Dur op. 93 |
Interpreten der Einspielung
- Voces Intimae (Klaviertrio)