BIS 1473
1 CD/SACD stereo/surround • 74min • 2005
05.03.2007
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Zügig verfolgt der holländische Pianist Ronald Brautigam sein Hammerflügel-Projekt, Beethovens Gesamtwerk für Klavier auf BIS-SACDs zu präsentieren. Anlässlich der ersten drei Folgen mit den ersten elf Sonaten gab es – wenigstens für mein Empfinden – mehr als hinreichend Gelegenheit, sich lobend, rühmend über Brautigams fantasievolles, gestenreiches, brillantes, dabei stets vom Text her „begründet“ wirkendes Spiel zu äußern. Die hier zur Diskussion stehende Folge IV mit den Sonaten Nr. 12 bis 15 bewegt sich im Großen und Ganzen auf diesem Niveau, sofern man sich als Hörer nicht energisch mit einigen werkspezifischen, vor allem aber atmosphärischen Grundbedingungen auseinander gesetzt hat. Ich denke da in erster Linie an die Verlaufskurve des Kopfsatzes der „Pastorale“, die ich mir beruhigter, andächtiger angelegt vorstelle, als es Brautigam in seiner flüssig, tendenziell etwas beiläufig anmutenden Gestaltungsstrategie favorisiert. Auch im schaukelnd hereinwippenden Finalsatz vermisse ich im Kantablen seismographisches Bemühen, die von Beethoven in fein linierten „Bildern“ vorgeformten Emotionen zu enthüllen, also den unbedingten Willen, Schmeichelndes, Naturhaftes bis in den letzten Winkel des Erfahrbaren auszuleuchten.
Im einleitenden „Adagio sostenuto“ der so genannten „Mondschein“-Sonate begegnet man einmal mehr einem schier unausrottbaren, auf Tradition und Imitation beruhenden Interpreten-Verfahren. Die Vortragsbezeichnung „sostenuto“ bezieht sich auf den notturnoartigen Gesamtcharakter dieses von gleichmäßigen Triolen der linken Hand getragenen Espressivo-Experiments. Es besteht also kein Grund, zwischen jenen Triolen eine Pause einzubauen, wenn in der melodischen Linie – jeweils vor dem betonten Taktteil – eine kurze Note einzufügen ist. Um dieser Note mehr Gewicht zu geben als ihr eigentlich zukommt, schalten die Pianisten fast ausnahmslos im Triolenuntergrund eine kleine Denkpause ein. Die Folge ist: der Satz klingt larmoyanter, tränenseliger als wohl ursprünglich beabsichtigt. Wie er in schöner Normalität und überhaupt nicht mondsüchtig vorüberschwingen kann, zeigte Glenn Gould in seiner seinerzeit von vielen schreibenden Kollegen angefochtenen CBS-Aufnahme (später Sony)!
Souverän staffelt und schattiert Brautigam die Variationen der As-Dur-Sonate. Beherrscht, also für den Terzenesprit im Tempo nicht überzogen, fliegt das Scherzo vorüber, und auch im heiklen, allzu oft undefiniert heruntergespulten Finale behält er Übersicht und adelt somit ein Perpetuum mobile zum rätselvoll-geschwindsüchtigen Charakterstück.
Im rein virtuosen Bereich hat Brautigam einiges zu bieten. Das „Presto agitato“ der Sonate op. 27,2 zeigt kontrollierte Atemlosigkeit – hammerbeflügelte Angriffslust gewissermaßen!
Vergleichsaufnahmen: Op. 27,2: Gould (CBS, bzw. Sony); Op. 28: Gelber (EMI)
Peter Cossé † [05.03.2007]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Ludwig van Beethoven | ||
1 | Klaviersonate Nr. 12 As-Dur op. 26 | |
2 | Klaviersonate Nr. 13 Es-Dur op. 27 Nr. 1 (Quasi una fantasia) | |
3 | Klaviersonate Nr. 14 cis-Moll op. 27 Nr. 2 | |
4 | Klaviersonate Nr. 15 D-Dur op. 28 (Pastorale) |
Interpreten der Einspielung
- Ronald Brautigam (Fortepiano)