BIS 1574
1 CD • 64min • 2006
04.04.2007
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Das sind nun wieder zwei Stücke für Frau Neureich, die ja bekanntlich nach dem Kammerkonzerte, zu dem man sie fatalerweise eingeladen hatte, von dem virtuosen Fagottisten wissen wollte, ob er die Töne denn mit dem Munde erzeugt habe. Was würde sie wohl erst sagen und fragen, wenn man ihr die vorliegende CD mit den „Konzerten” für Baßtuba (2000/01) und für Kontrafagott (2004/05) des finnischen Komponisten Kalevi Aho überließe? Wahrscheinlich müßte sie von ihrer letzten Kur erzählen, die ihr durch größere Gaben an Natriumsulfat-Decahydrat, besser bekannt unter dem Namen Glaubersalz, bedeutende Erleichterung verschafft hatte.
Tatsächlich fällt es schwer, die beiden Stücke so ernst zu nehmen, wie sich das angesichts ihrer Ausmaße vielleicht schickte. Da mag der Kontrafagottist Lewis Lipnick die durch ihn angeregte und ihm auch gewidmete Partitur als das „herausforderndste”, „schwierigste” und „beste” Werk für sein Instrument apostrophieren und die typischen Superlative reihen: Selbst in Zeiten völliger Begriffsverwirrungen ist nicht zu verkennen, daß in dem gut halbstündigen Stück das Thema verfehlt wurde, da die solistischen Anteile nirgends markant ins Gewicht fallen, im rasant-explosiven Mittelsatz vom Orchester förmlich geschluckt werden und im getragenen Finale durch weitgehende Abwesenheit glänzen. Niemand würde Schumanns erste Sinfonie als eines der überragendsten Triangel-Konzerte der Romantik verkaufen, und das sollte Lipnick mit seinem überdimensionierten, nach oben um eine Oktave (bis zum c”) erweiterten Kanonenofen aus dem Hause Fox ebenso beherzigen wie die Worte des Komponisten, der weit weniger marktschreierisch bemerkt, daß es sich bei seiner Kreation „fast um eine Sinfonie für Kontrafagott und Orchester“ handelt. Das kommt dem Sachverhalt bedeutend näher, und so betrachtet, bewegt sich die Musik dann auf dem Niveau, das ich vom Aho der letzten Jahre kenne: Als sinfonisches Werk, vielleicht mit dem programmatischen Namen Die Hobbits in Moria oder auch Gandalfs Fluch, klingt das alles viel einleuchtender – bis hin zu dem irgendwo in den Fernen eines imaginären Nebelfeldes verschwimmenden Schluß.
Konzertanter ist da schon das zweite Stück der Veröffentlichung, in dem man erheblich darüber staunen kann, was der Tubaspieler Øystein Baadsvik aus den Tiefen seiner endlos langen Röhre herausholt. Vor allem in den Höhen scheint er verschiedentlich die Schuhe auszuziehen, um ganz in das ausladende Mundstück hineinzukriechen. Insgesamt fühle ich mich allerdings auch bei diesem Werk mit seinem kapriziösen Solo eher belustigt und in den tiefsten Regionen wieder an die eingangs paraphrasierte Frage der Frau Neureich erinnert. Da kann sich auf den Kopf stellen, wer will: Konzerte für Tuba oder für Kontrafagott sind sicherlich verdienstvolle und dankbare Geschöpfe (was wären wir ohne Ralph Vaughan Williams) – zu ernsthaften Angelegenheiten von sinfonischen Abmessungen jedoch eignen sie sich nicht.
Rasmus van Rijn [04.04.2007]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Kalevi Aho | ||
1 | Konzert (2000/2001) | |
2 | Konzert für Kontrafagott und Orchester (2004/2005) |
Interpreten der Einspielung
- Øystein Baadsvik (Tuba)
- Lewis Lipnick (Kontrafagott)
- Norrköping Symphony Orchestra (Orchester)
- Mats Rondin (Dirigent)
- Bergen Philharmonic Orchestra (Orchester)
- Andrew Litton (Dirigent)