hänssler CLASSIC 98.289
2 CD • 2h 02min • 2007
11.12.2007
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Das Interesse der 1931 in Tschistopol in der damaligen Tartarischen Autonomen Sowjetrepublik geborenen Sofia Gubaidulina an geistlicher Musik war immer vorhanden, konnte sich aber nach ihrer Übersiedlung in die Nähe von Hamburg im Jahre 1992 ungestört entfalten. Ihre Johannes-Passion und die Fortsetzung als Johannes-Ostern begreift sie selbst als eine Art „chef d’oeuvre“; das Werk wurde zunächst in russischer Sprache komponiert, wozu die Komponistin noch eine Exerzitienreise an den Ladoga-See unternahm (das dortige Kloster dürfte aber „Varlaam“ heißen und nicht „Valaam“). In der Tat sind sowohl der dramaturgische Aufbau wie auch die musikalische Realisierung beeindruckend. Gubaidulina verbindet nämlich Texte aus dem Johannes-Evangelium mit Fragmenten aus den Offenbarungen des Johannes, bezieht also das Leiden Christi auf die Visionen vom Weltende. Damit wird nicht nur die politische Dimension eines exemplarischen Justizmordes am „König der Juden“ betont, sondern auch ein aktueller Bezug zu unserer Gegenwart hergestellt, ohne dabei aber vordergründig ökologisch herumzulamentieren.
Im Schatten der schier unerreichbaren Passionsmusiken J. S. Bachs gelingt Gubaidulina doch eine eigenständige Annäherung durch teils bewußt karge Diktion, etwa des Evangelisten, teils durch suggestive Klangballungen in einem Tonraum, der von tonalen Dreiklängen bis zum Cluster reicht. Gelegentliche Anleihen der Chortechnik bei Penderecki, Orff oder dem frühen Nono werden doch in ein Gesamtkonzept eingeschmolzen; ein gewisses Maß von Eklektizismus ist bei dieser oratorischen Gattung aber ohnehin kaum zu vermeiden.
Die Aufnahme entstand im Zusammenhang mit der deutschsprachigen Premiere der überarbeiteten Fassung des Gesamtwerkes. Helmuth Rilling gestaltet klug und souverän den dramaturgischen Ablauf und hält das kolossale Ensemble der Mitwirkenden stets zusammen. In weiter Dynamik, aber deutlicher Artikulation erscheinen auch kleine Details in optimaler Klarheit. Auch die Solisten präsentieren ihre teilweise extrem hoch oder extrem tief geführten Parts vorzüglich. So entsteht vor dem Hörer ein Werk, das die Traditionen und Inhalte geistlicher Musik in das geistige Umfeld gegenwärtiger Problemstellungen überzeugend einbettet.
Dr. Hartmut Lück † [11.12.2007]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Sofia Gubaidulina | ||
1 | Passion und Auferstehung Jesu Christi nach Johannes |
Interpreten der Einspielung
- Julia Sukmanova (Sopran)
- Corby Welch (Tenor)
- Bernd Valentin (Bariton)
- Nicholas Isherwood (Bass)
- Gächinger Kantorei Stuttgart (Chor)
- Kammerchor der Musikhochschule Trossingen (Chor)
- Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR (Orchester)
- Helmuth Rilling (Dirigent)