Nordic Trumpet Concertos
BIS 1548
1 CD • 65min • 2006
17.09.2007
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Nach Kants Philosophie ist alles Geniale originell, nicht alles Originelle aber genial. Vereinfacht ausgedrückt: Ist alles gut, bloß weil es neu ist? Man kann solcher Frage nicht ausweichen, weil es weder eine Norm für gute und schlechte Musik noch für das Geniale oder Originelle in der Kunst gibt. In diesen Grauzonen bewegt sich auch der Rezensent, der Farbe zum Stellenwert der vorliegenden Trompetenplatte als möglichst verbindliche Information für den Leser dieser Zeilen bekennen soll. Fest steht allein die Tatsache, daß der Solist Ole Edvard Antonsen als Trompeten- und Kornettvirtuose, Komponist und Dirigent, Klassiker und Jazzer eine Erfolgskarriere aufzuweisen hat, die den Erwartungen von einem universal begabten Traumbläser zu entsprechen scheinen.
Schon dies dient dieser BIS-CD als Siegel einer exemplarischen Interpretationsgüte. Sein dirigierender Orchesterpartner Christian Lindberg, Posaunist, Komponist und gefeierter Ensembleleiter, ebenfalls mit allen weltweiten Weihwassern schwedischer Künstlerprominenz gesegnet, bürgt im gleichen Sinne für die Qualität der Programmgestaltung und Werkauswahl. Gleichwohl ist sein Eigenbeitrag als exzentrisch multikulturelle Stilmixtur mit enigmatischen Satzbezeichnungen wie Türkische Bank (Sparkasse oder Sitzgelegenheit?), Japankultur Japabunka und einem Hummelflug-Trompetengesummse Turkjazz darauf aus, einfach nur „Spaß zu machen“ (laut neckischer Komponistenbemerkung im Beiheft). Geschmacksache!
Doch um Geschmacksachen geht es letztlich bei allem Ausgesuchten und Dargebotenen, was hier im schrankenlos schlanken Bläserglanz bei akribischer Orchesterdisziplin zu beurteilen ist. Das Gegenteil von tänzerischer Musik ist der nach vergeblichen Aufschwüngen bis zum frustriert zerbröselnden Endlos-Ende sich dahinschleppende norwegische 13-Minuten-„Tanz“ von Alfred Janson. Der Eigenkommentar des Komponisten vermeidet eine Deutung und weicht in eine skurril erdachte Weltgeschichte des Tanzes seit Adam und (einer tanzenden) Eva aus. Thema verfehlt. Klanglich reizvoll instrumentiert und mit mancher rhythmischen Ostinato-Finesse des Solisten ausgestattet, ist dagegen die meisterhaft beherrschte pastose, streckenweise viel zu dezent in den pianissimo-Hintergrund gedrängte Orchesterkulisse der Schwedin Britta Byström: Verirrungen, Programmmusik nach dem gleichnamigen Roman von Hjalmar Söderberg. Gleichsam als offene Fragen „verirren“ sich alle Sätze und münden in ein Schweigen ohne Antwort.
Schließlich – an den Anfang der Hörfolge gestellt – erklingt Harri Wessmans Trompetenkonzert als einziger Beitrag „absoluter Musik“, also ohne Programm. Theoretisches Gerüst, quasi als Leitmotiv, ist die musikhistorisch seit dem 15. Jahrhundert veraltete „Landino-Klausel“, deren praktische Wahrnehmung sich dem Nichthistoriker, erst recht dem Zuhörer, ohne Einblick in die Partitur nicht erschließen will. Alles ist jedoch in überschaubare Formen einer gut zu konsumierenden Moderne auf der Basis einer tonalen Intervalltechnik und einer dem Kontrastprinzip huldigenden Rhythmik eingebunden. Im Charakter einer dreisätzigen Solistenouvertüre stimmt das Concerto erwartungsvoll auf alles Folgende ein.
Dr. Gerhard Pätzig [17.09.2007]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Harri Wessman | ||
1 | Concerto | 00:18:07 |
Britta Byström | ||
4 | Förvillelser | 00:17:28 |
Alfred Janson | ||
9 | Norwegian Dance (with thanks to Rikard Nordraak) | 00:12:57 |
Christian Lindberg | ||
10 | Akbank Bunka | 00:15:32 |
Interpreten der Einspielung
- Ole Edvard Antonsen (Trompete)
- Nordic Chamber Orchestra (Orchester)
- Christian Lindberg (Dirigent)