Challenge Records JIM 75368
1 CD • 43min • 2007
13.02.2008
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Instrumentale anstelle vokaler Winterreise-Interpretationen haben ihren Reiz und inzwischen auch Tradition. Angenehm an dieser Aufnahme ist, wie die Musiker ihre vom Jazz kommenden Phrasenbildungen und Tonfärbungen in die Musik einbringen, ohne diese wirklich spürbar zu verändern. Schuberts Melodien und sein so konzentrierter wie präziser Klaviersatz sind hier also nicht etwa ein Selbstbedienungsladen zur Improvisation, sondern es sind, positiv verstanden, musikalische Monumente, die nur aus einer minimal kulturell veränderten Perspektive gesehen oder besser „intoniert“ werden. Der triste, persönlich gefärbte Saxophonklang kommt den Intentionen der Stimme nahe, aber es gibt sowohl Momente, in denen die melodische Konsistenz der Gesangs-(Saxophon)-Stimme in sich selbst ruht und aus sich selbst heraus genug ist – und andere Phrasen bzw. Momente, in denen Gestus und Kontur der Stimme keineswegs auf den Aspekt des „Textes“ verzichten können. Im Leierkastenmann etwa wird der stimmliche Gestus hier zu einer Art depressivem Schalmeien-Solo ohne Echo und Antwort (man denkt an das Englischhorn-Solo aus Tristan oder an das im Schlussteil von Berlioz’ Szene auf dem Lande, wenn nur ferne Gewitterpauken antworten). Stimmig und konsequent haben die beiden Musiker hier gleichsam als Verstärkung der Intention noch den Klavierpart weggelassen, bis auf eine knappe Phrase, die damit umso intensiver wirkt. Das gleiche Prinzip, was aber im Leierkastenmann so überzeugend wirkt, funktioniert dagegen im Wirtshaus überhaupt nicht: Die Saxophonstimme wirkt hier mickrig und sie scheint irgend etwas zu buchstabieren, was eben einen wirklichen Text hat und was von Schubert auch so komponiert wurde, dass der Text noch immer im Zentrum steht. Dazu fehlt der Klaviersatz, der in seinen weichen Harmonien und in seiner klaren Gestik im Lied hier jedenfalls wesentlicher ist als der eher sprechende Tonfall der Gesangsstimme. Das Ergebnis wirkt in seiner Reduktion und Purheit zwar archaisch, aber nicht wirklich motiviert und stimmig. Nicht stimmig und unmotiviert wirkt ebenso die Auswahl der Lieder, ihre eigenartige Reihenfolge und die unpassende Zugabe von Der Tod und das Mädchen. Trotz musikalisch durchaus sensibler und atmosphärischer Partien wird das Konzept der Musiker nicht wirklich klar.
Hans-Christian v. Dadelsen [13.02.2008]
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Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Franz Schubert | ||
1 | Die Winterreise op. 89 Nr. 1-24 D 911 (Liederzyklus nach Gedichten von Wilhelm Müller) |
Interpreten der Einspielung
- Yuri Honing (Saxophon)
- Nora Mulder (Klavier)