BIS 1723
1 CD/SACD stereo/surround • 66min • 2008
14.01.2009
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Nicht nur Bernhard Henrik Crusell (1775-1838) war als schwedischer Klarinettenvirtuose und vielseitiger Komponist für seine Zeit und in seiner Art ein Genie. Auch seinem gegenwärtigen schwedischen Interpreten und exzellenten Holzbläsersolisten Martin Fröst wird man einen Ausnahmerang zuerkennen müssen. Allerdings bedarf es dazu nicht erst des vorliegenden Rückgriffs auf den hohen Virtuosenstandard des 19. Jahrhunderts mit einer gelungenen Eroberung aller drei Klarinettenkonzerte des einst führenden Militärmusikers Finnlands. Längst hat sich Martin Fröst mit seinen vorangegangenen Einspielungen einschlägiger Kammermusiken und Konzerte von Mozart, Weber, Brahms oder Carl Nielsen einen Spitzenplatz in der internationalen Bläserelite erobern können. Für erlesene Klänge bürgt als „Partner“ sein Buffet-Crampon-Meisterinstrument (mit dem internationalen Böhmsystem) und Kanter-Mundstück.
In Crusells Konzerten bleibt der Bläsersolist den Beweis nicht schuldig, daß ihm im Hinblick auf Atemkultur und Vortragsstil in Verbindung mit einer überzeugenden Interpretationskunst erneut ein großer Wurf gelungen ist. Charakteristisch für ihn sind eine hochkultivierte Tonbildung, perlende Tongirlanden, musikalisch durchdrungene Raffinessen in Artikulierung, Dynamik und Ausdrucksvielfalt sowie quasi trägheitslose, der Flatterzungentechnik vergleichbare, sagenhaft „leichte“ Stakkato-Repetitionen in Schallgeschwindigkeit. Auf dieser Basis erklingen nun drei ausgewachsene Solistenwerke Crusells, kompositorisch im Vergleich zu anderen Vorzeigewerken der bewährten Konzertklassiker nicht gerade Juwelen „aller Zeiten“, aber für alle Klarinettisten (und für alle Zuhörer) eine besondere Herausforderung voll verlockender Darbietungsformen. Denn so manche hineinkomponierte Spielartistik war für das ursprüngliche Uraufführungs-Publikum anno 1810 wichtig und ist bis heute ein zwingendes Erfolgsmoment reisender Künstler.
Aber Martin Fröst ist alles andere als ein kühler, skandinavisch-„fröstiger“ Technokrat (alles handwerklich Perfekte ist für ihn ohnehin selbstverständlich), sondern ein Vollblutmusikant mit Herz, Verstand und Fingerspitzengefühl für alles, was die Musik zu vermitteln und zu bewirken hat. Sein Geheimnis ist die geradezu zärtliche Spielweise selbst kapriziösester Verzierungen, Kadenzen und Ornamente. Extreme Intervallsprünge und Skalenläufe stehen im Dienste einer durchweg samtweichen Liebeserklärung an die Klarinettentöne und Bläserfarben. Davon profitieren alle melodisch-gesanglichen Themen und Motive. Zufällige Annäherungen an Mozart und Weber, oft als Crusells Stärke gepriesen, werden vom Komponisten jedoch durch seine Vorliebe für spieltechnische Figurationen und Tonkaskaden regelmäßig unterlaufen. Genug Grund für Martin Fröst, solchen Floskeln selbst bei flotter Tempowahl einen tänzerischen Schwung zu verleihen und Musik mit an Chopin gemahnender Salon-Eleganz zu spielen. Großartig!
Großartig gelungen ist auch die Einbindung des Orchesters in das Konzertieren mit dem Schwedischen Nationalorchester in Göteborg. Dank der detailfreudigen Leitung von Okko Kamu gewinnen selbst nebensächliche Begleitfiguren ein eigenmusikalisches Profil. Ob der Komponist ahnte, was aus seinen gelegentlich zum „Allegro risoluto“ auffordernden Tempovorschriften an Gefühl und Feinheiten herauszuholen ist? Die vorliegende, auch aufnahmetechnisch brillante BIS-Produktion erfüllt mehr denn je alle Voraussetzungen, Crusells Klarinettenkonzerten unter den vorgegebenen optimalen Bedingungen auf allen Podien der Welt Tür und Tor zu öffnen.
Dr. Gerhard Pätzig [14.01.2009]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Bernhard Henrik Crusell | ||
1 | Klarinettenkonzert f-Moll op. 5 | 00:22:07 |
4 | Klarinettenkonzert b-Moll op. 11 | 00:23:10 |
7 | Klarinettenkonzert Es-Dur op. 1 | 00:19:58 |
Interpreten der Einspielung
- Martin Fröst (Klarinette)
- Gothenburg Symphony Orchestra (Orchester)
- Okko Kamu (Dirigent)