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Besprechung CD

cpo 777 330-2

2 CD • 1h 46min • 2008

13.08.2009

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 8
Klangqualität:
Klangqualität: 10
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Vielleicht sind wir etwas nüchterner und realistischer geworden als dies zu Zeiten unserer empfindlichen Vorfahren der Fall war: kein ernstzunehmender Mensch wird sich heute darüber empören, dass Franz Schubert im Dreimäderlhaus und der Dichterfürst Goethe in Friederike als Operettentenöre auftauchen. Der Schleier des Historischen hat sich längst darüber gesenkt, daher kaum mehr ein Wort von Sakrileg oder Klassikerschändung. Bei Lehárs Friederike (erstmals 1928 in Berlin mit Richard Tauber und Käthe Dorsch in den Hauptrollen) war jedoch der Bannstrahl der „Gebildeten“ von beträchtlicher Nachwirkung, jedenfalls stärker als beim harmlosen Dreimäderlhaus. Die einstmals so erfolgreiche Operette führt auf unseren Bühnen ein kaum wahrnehmbares Dasein.

Pech für Lehár, denn Friederike ist eine seiner interessantesten, erfindungsreichsten Partituren. Man muß sich nur die Introduktion zum ersten und zum dritten Akt anhören, um zu wissen, dass Lehár sich die Partituren seiner komponierenden Zeitgenossen sehr genau angesehen hat. Bald glaubt man Janáek, bald Korngold oder Richard Strauss zu hören. Als Komposition steht Friederike an oberster Stelle in Lehárs Schaffen und man kann dem Komponisten nur beipflichten, wenn er diese Operette (richtig: dieses Singspiel) als sein bestes Werk bezeichnet hat. Musikalisch ist es wohl sein bestes – aber dramaturgisch leider eines der schwächeren. Zu arm an Handlung, zu wenig Abwechslung, etwas mühsam auf die Länge von drei Akten „gestreckt“. All das bewirkt, dass die Handlung etwas flau und lahm wirkt. Auch dies ist wohl ein Grund für das Verschwinden der armen Friederike von der Operettenbühne.

Die neue Tonaufnahme kann da viel gutmachen und dem vernachlässigten Werk zu neuem Dasein verhelfen. Die Münchner Friederike ist allen Musikliebhabern zu empfehlen, egal, ob sie Operette, ob sie Lehár mögen oder nicht. Den Lehár-Gegnern sogar besonders, vielleicht kommen sie dadurch zu einem anderen Urteil. Ein Glück, dass ein Kapellmeister wie Ulf Schirmer, ein Klangkörper wie das Bayerische Rundfunkorchester für die Aufnahme gewonnen werden konnten, wodurch die Wiedergabe ein hohes Maß an Feinsinnigkeit und Ausdruckswärme erhält. Vor allem die orchestralen Intermezzi, die Vorspiele, die Tanzmelodien kommen wunderschön zur Geltung, sie sind fast das Beste des Ganzen. Denn „Ohrwürmer“ hat Friederike nicht allzu viele: O Mädchen, mein Mädchen, Warum hast du mich wachgeküßt, eventuell auch Sah ein Knab ein Röslein stehn – das ist so ziemlich alles. Die Nummern des Buffo-Paares Lenz und Salomea sind relativ schwach. Aber die wahren Reizpunkte liegen im Verborgenen, im weniger Auffälligen.

Die Münchner Aufnahme (eine Live-Produktion aus dem Prinzregententheater) besticht durch Sorgfalt und Seriosität. Kristiane Kaiser ist für das Landmädchen Friederike genau die richtige Besetzung, ihre resolute, volltönende Sopranstimme wirkt jung und apfelfrisch, dadurch bleibt wenig Platz für Trübsinn und Sentimentalität. Diese enttäuschte Liebhaberin findet rasch wieder zu neuem Lebensmut. Sylvia Schwartz und Daniel Behle können im obligaten zweiten Paar gut bestehen.

In der Tauber-Rolle des jungen, verliebten Goethe ist Klaus Florian Vogt zu hören – und das ist allerdings ein Kapitel für sich. Vogt gilt als einer der herausragenden jungen Tenöre Deutschlands, hat sich als Lohengrin und in anderen markanten Rollen internationalen Ruf erworben. Aber – ein Operettentenor, ein Lehár-Sänger, wie wir das verstehen, ist er nicht. Was uns da im berühmten Idyll von Sesenheim begegnet, ist ein junger, bleicher Franziskanerpater, aus dessen Stimme Entsagung und Weltabgewandtheit heraustönen. Keine Leidenschaft, keine Sinnlichkeit, kein Schmelz, nichts Verführerisches ist da zu vernehmen, alles keusch und engelsrein. Von einem Liebhaber dieses Kalibers fällt die Trennung nicht allzu schwer.

Vielleicht war diese Kontrabesetzung Absicht, und da Vogt ein Künstler von außerordentlichem Format ist, kann man bei ihm auch nicht von einem Scheitern reden. Da nicht so bald wieder die Aussicht auf eine neue Aufnahme von Friederike besteht, wird man mit dieser problematischen, extremen, sicher auch nicht reizlosen Besetzung der männlichen Hauptfigur noch eine Weile leben müssen.

Rolf Eger hat eine leichtflüssige Dialogfassung des Librettos von Herzer und Beda-Löhner verfertigt, im Beiheft informiert Stefan Frey über Werk- und Aufführungsgeschichte.

Clemens Höslinger [13.08.2009]

Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Franz Lehár
1Friederike (Singspiel in drei Akten)

Interpreten der Einspielung

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