BIS 1776
1 CD • 60min • 2008
25.08.2009
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Immer, wenn ich mich auch nur ein bißchen näher mit Josef Suks Asrael beschäftige, wächst mir das Stück mehr ans Herz, was nicht allein mit der musikalischen Qualität dieses Stückes, sondern auch mit der großen Persönlichkeit zu tun hat, die mir daraus entgegentritt: Ein Mensch, dem erst die doppelte Katastrophe – Tod des Schwiegervaters Dvorák und der jungen Ehefrau – die feinsten schöpferischen Poren öffnete, der dann aber eben kein Selbstmitleid transpirierte, sondern sich vielmehr mit einer schier überirdischen Kraft von einem kapitalen Werk zum nächsten steigerte, bis endlich die Tetralogie aus Asrael, Sommermärchen, Lebensreife und Epilog vorlag, über deren Gesamtkonzeption man nur ebenso staunen kann wie über die subtile Filigranarbeit im Detail.
Der hier vorliegenden Neueinspielung kam diese hohe Bewunderung ohne Frage zugute. Daß ich mich allerdings nach einem politisch völlig inkorrekten Schmunzeln („Philharmonisches Orchester von wo?”) geradezu in die Produktion verliebt und diese (unbezahlt!) schon drei- oder viermal gehört habe – das hat einzig und allein mit der ganz fabelhaften Darstellung des massiven und dennoch feinen, riesigen und doch so intimen Werkes zu tun. Claus Peter Flor, das spüre ich gleich in den ersten Takten, wenn sich das Motto-Thema voll düsterer Zweifel aus den Tiefen erhebt, setzt in ganz erheblichem Maße auf orchestrale Transparenz und schafft es durchweg, die zum Teil enorm komplexen Geschehnisse mit einer großen Sorgfalt auszuleuchten, die niemals und nirgends in Pedanterie verfällt oder etwa gar für einen Moment die rauschenden, weit ausgespannten Flügel des finster-tröstlichen Engels beeinträchtigten.
Im Gegenteil profitieren von dieser zwar überlegten, gleichermaßen aber auch durch und durch empfundenen Präzision die vielen kleinen, unendlich wichtigen Tempowechsel, die manches Mal nur wie ein etwas tieferer Atemzug die nächste Stufe der Entwicklung oder Entfaltung vorbereiten. Man höre beispielsweise gleich in der „langsamen Einleitung” die federnden, pulsierenden, von innen heraus zielstrebigen Wechsel zwischen Achtel- und Achteltriolen-Pizzikati oder auch nach etwa zwei Minuten den Übergang in den ersten Hauptteil des Kopfsatzes (von dem Dmitri Schostakowitsch gewiß nie gehört und gelesen hat); man verfolge hier die leise fiebernde Vorbereitung der extremen Höhepunkte, deren zweiter bei Ziffer 53 (so um die 12'50) einerseits zwar das persönliche Entsetzen herausschreit, andererseits aber auch die ganz zwangsläufige letzte Steigerung des rein musikalischen Komplexes darstellt; und man lasse sich von den bleichen, geisterhaften Schleiern des zweiten Satzes einhüllen oder von den erbarmungslosen Irrlichtern des Scherzos zum gruselig-schönen Walzer auffordern: Danach brauchen wir tatsächlich eine gehörige Luftpause, um mit der „zweiten Abtheilung”, wie Gustav Mahler derlei betitelte, fortfahren zu können. Das alles aber verzichtet auf jedes Seifenopernpulver und jede Rührseligkeit, sondern geschieht – wenigstens ist das mein Eindruck nach drei bis vier Anhörungen – mit einem vollendeten Verständnis für den Komponisten und ein Werk, das mir schon wieder ein Stückchen mehr ans Herz gewachsen ist.
Rasmus van Rijn [25.08.2009]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Josef Suk | ||
1 | Sinfonie Nr. 2 c-Moll op. 27 (Asrael) |
Interpreten der Einspielung
- Malaysian Phiharmonic Orchestra (Orchester)
- Claus Peter Flor (Dirigent)