Vivaldi - Oboe Concertos
hänssler CLASSIC 87.597
1 CD • 55min • 2009, 1987
23.02.2010
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Sechs Oboenkonzerte aus dem hundertfachen Konzertschatz Antonio Vivaldis (1678-1741) sind hier mit einer originellen Idee verknüpft worden. Der international renommierte Bläsersolist Lajos Lencsés, gebürtiger Ungar des Jahrgangs 1943 und seit 2003 weltweit einziger mit dem ungarischen Ritterkreuz dekorierter Oboenvirtuose, resümiert eine erfolgsgekrönte Vivaldi-Auswahl durch die Kombination von je drei Produktionsresultaten der Jahre 1987 und 2009. Doch nicht nur dies verleiht der vorliegenden CD einen individuellen Reiz. Bemerkenswert ist vor allem die deutlich erkennbare Tendenz unterschiedlicher Besetzungsformen und Aufführungsstile im Verlauf von 22 Jahren. Nicht zuletzt hat der zum Altmeister herangereifte Solist als Fazit eigener Retrospektive und permanenten Perfektionsstrebens einen eigenhändigen Einführungskommentar als Textbeilage verfaßt. Erwartungsgemäß konzentriert sich sein Beitrag dabei mehr auf eine autobiographische Aus- und Spätlese künstlerischer Reflexionen, weniger dagegen auf kompositorische oder gar analytische Werkaspekte. Gern hätte man allerdings eine redaktionelle Ergänzung über seine Mit-Interpreten vorgefunden.
Schwerpunkt bleibt – natürlich – der klingende Spielraum für aufschlußreiche Höreindrücke. Der Bogen spannt sich von einem temperamentvollen Tuttimusizieren mit mittelgroßer Streicherbesetzung im konventionellen Wohlklang des Stuttgarter SWR-Sinfonieorchesters von 1987 bis zur mutmaßlichen Authentizität der Gruppe La Follia von 2009 und deren Non-vibrato-Kleinstbesetzung mit gelegentlich kühl und zäh wirkender Schwelltonkultur. Dabei legte der Solist Lencsés, vermutlich auch als Dirigent, mit historischem Blick auf Vivaldis Erfolge als Maestro de‘ concerti und Ausbilder einer ursprünglich venezianischen Damenkapelle des Waisenhauses Ospedale della Pietà „authentischen“ Wert auf eine strikt weibliche Besetzung seiner heutigen Mitwirkenden. Die von ihm erwählte Gruppe La Follia erfüllt diese Bedingung.
Genug Material also, um sich kritisch mit diversen Lösungen vergleichbarer Tonträger auseinanderzusetzen. Als beispielhaft seien Christopher Hogwoods Academy of Ancient Music mit den Solisten Stephen Hammer und Frank de Bruine, oder Max Pommers Neues Bachisches Collegium Musicum Leipzig mit dem Oboisten Burkhard Glaetzner genannt. Lajos Lencsés bewegt sich routiniert zwischen solchen Alternativen, teils empfindsam singend in den langsamen Sätzen, teils brillierend mit schier atemlosen Hetzjagden in allen etüdenhaften Allegro-Passagen. Ungewiss bleibt, ob ihm darin die venezianischen Waisenmädchen von einst auch nur annähernd hätten folgen können. Das alte, unlösbare Problem bleibt die Frage nach dem richtigen Tempo. Wichtig für Lencses ist jedoch, nach seinen eigenen Worten, ein ganz anderes Ziel, nämlich „die Vielfalt und den Reichtum in Vivaldis Musik aufzuspüren. Sonderbar ist das Phänomen, daß Meisterwerke der Musik sich nach jahrelanger, intensiver Zuwendung immer von neuen Seiten zeigen“.
Dr. Gerhard Pätzig [23.02.2010]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Antonio Vivaldi | ||
1 | Concerto C-Dur RV 452 für Oboe, Streicher und B.c. | 00:06:47 |
4 | Concerto D-Dur RV 453 für Oboe, Streicher und B.c. | 00:08:44 |
7 | Concerto C-Dur RV 447 für Oboe, Streicher und B.c. | 00:12:32 |
10 | Concerto a-Moll RV 461 für Oboe, Streicher und basso continuo | 00:09:43 |
13 | Concerto C-Dur RV 178 für Oboe, Streicher und B.c. | 00:08:48 |
16 | Doppelkonzert B-Dur RV 548 für Oboe, Violine, Streicher und B.c. | 00:08:22 |
Interpreten der Einspielung
- Lajos Lencsés (Oboe)
- Ensemble Instrumental La Follia (Orchester)
- Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR (Orchester)