BIS 1780
1 CD • 59min • 2009
23.09.2010
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
In der finnischen Opernszene tut sich was. Neben den großen Häusern haben sich in den letzten Jahren auch an den Peripherien und in Kleinstädten leistungsfähige Ensembles gebildet, so 2004 in Kokkola (46 000 Einwohner) an der finnischen Westküste, wo sowohl finnisch wie schwedisch gesprochen wird. Initiatoren waren die Sopranistinnen Anu Komsi (Künstlerische Leiterin) und Annika Mylläri (Geschäftsführerin) sowie der international renommierte Dirigent Sakari Okama. Döbeln, im vergangenen Jahr uraufgeführt, ist eine Auftragsarbeit der sich Kokkolan Oopperayhdistys (West Coast Kokkola Opera) nennenden Formation und wurde dem in Finnland schon arrivierten, als Opernkomponist jedoch debütierenden Sebastian Fagerlund (Jg. 1972) übertragen.
Der Titel „Döbeln“ läßt zunächst an die sächsische Kleinstadt dieses Namens denken. Gegenstand des Werk ist jedoch der in Finnland legendäre General Georg Carl von Döbeln (1758-1820), der sich im russisch-schwedischen Krieg große Verdienste erwarb, dabei jedoch von einer russischen Kugel am Kopf getroffen wurde. Die Wunde verheilte nie gänzlich, so dass er Zeit seines Lebens ein schwarzes Kopftuch trug. Im Jahre 1809 spaltete sich Finnland von Schweden ab und wurde ein Großherzogtum Russlands. Der 200. Jahrestag dieses vaterländischen Ereignisses war der Anlaß für den Kompositionsauftrag.
Fagerlund und sein Librettist Jusa Peltoniemi gehen das historische Sujet jedoch nicht mit patriotischem Pathos an, sondern gewinnen ihm unerwartet burleske und streckenweise groteske Züge ab. Den Rahmen der Handlung bildet die Operation der Schussverletzung. Döbeln (Bariton) liegt auf dem OP-Tisch und hat unter dem Einfluß des schmerzmildernden Opiums nacheinander sieben Träume, in denen er Ereignisse halluziniert, die erst Jahre später eintreffen werden. Dabei spaltet sich ein Traum-Ich von seinem Körper ab, das in der Oper von einer hohen Frauenstimme übernommen wird.
Der Komponist schildert die Begebenheiten mit einem unermüdlichen, betriebsamen Kammerorchester (15 Musiker incl. Schlagzeug und Klavier), das sich - die Handlung illustrierend und kommentierend - mal zu spätromantischen Klangwogen aufschwingt, häufiger aber mit leichtfüßigem Witz agiert. Fagerlund arbeitet an vielen Stellen mit den Formen der Opera buffa, etwa im Doktoren-Duett und im Eisfischer-Trio, folgt aber auch sonst der Tradition der Nummern-Oper, wie Döbelns Arie im letzten Traumbild zeigt. Die Gesangsstimmen sind nach den Prinzipien des „recitar cantando“ ausgeführt.
Das Uraufführungs-Team in Kokkola leistet erstklassige Arbeit und schlägt den Hörer durch seinen Perfektionismus und seine gestalterische Intensität in Bann. Von den durchweg guten Sängern, die teilweise mehrere Rollen übernehmen, ist Anu Komsi besonders zu erwähnen, ein dramatischer Koloratursopran mit artistischen Ausdrucksmöglichkeiten, die sie im Part des Traum-Döbeln reichlich ausspielen kann. Wahrscheinlich hat ihr Fagerlund die Partie „auf die Stimme geschrieben“. Nicht weniger staunenswert und virtuos ist die Leistung der Instrumentalisten unter Sakari Oramo.
Das Stück lohnt die szenische Aufführung, da es dem Regie-Team wie den ausführenden Musikern gleichermaßen viele Entfaltungsmöglichkeiten bietet. Doch leider sind die dargestellten Ereignisse so national begrenzt, dass bei uns die Voraussetzungen für eine adäquate Rezeption fehlen würden.
Ekkehard Pluta [23.09.2010]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Sebastian Fagerlund | ||
1 | Döbeln (Oper in zwei Akten) |
Interpreten der Einspielung
- Anu Komsi (Doktor 1, Döbeln-Drömskepnad - Sopran)
- Annika Mylläri (Doktor 2, Sprengtporten, Madame - Sopran)
- Lasse Penttinen (Betjänt, Kung Gustav IV Adolf, Fänrik - Tenor)
- Sören Lillkung (Döbeln, Laken - Bariton)
- Robert McLoud (Fältskärn - Baß)
- Kokkola Opera Festival Orchestra (Orchester)
- Sakari Oramo (Dirigent)