Joseph Haydn Three Theatrical Symphonies
BIS 1815
1 CD/SACD stereo/surround • 66min • 2008, 2009
25.10.2010
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Der „biedere Haydn“: ein dummes, übles Vorurteil mancher Teile der E-Musik-Szene. Doch der 1732 in Niederösterreich geborene Komponist befindet sich damit keineswegs in schlechter Gesellschaft. Auch andere Großmeister, zum Beispiel der Nürnberger Poet Hans Sachs, der in der mitteleuropäischen Literatur des 16. Jahrhunderts vergleichbar Grundlegendes geleistet hat wie Joseph Haydn für die Wiener Klassik, wird bis heute immer wieder in ähnlicher Weise verkannt.
Hier erleben wir Haydn nun nicht bloß als den „Schöpfer der Sinfonie“, sondern als ökonomisch denkenden Allrounder. Um seine Bühnenmusiken, die er als Kapellmeister des Fürsten Nikolaus I. Esterházy verfertigt hatte, für den (späteren) Konzertgebrauch zu retten, integrierte er diese oftmals in eine seiner zahlreichen Sinfonien. Dass ein solches Vorgehen nicht ohne Modifikationen auskommen konnte, liegt auf der Hand und spricht für Haydns souveräne Beherrschung des kompositorischen Handwerks.
Wer würde der 12., 50. oder 60. Sinfonie schließlich anhören, dass es sich um keine genuine absolute Musik handelt?! Zum Glück gewähren darüber entweder musikgeschichtliche Quellen Aufschluss oder bereits zu Haydns Zeit übliche Beinamen wie Il Distratto (Der Zerstreute) im Fall der Sinfonie Nr. 60 c-Moll. Aus dem überaus informativen Booklettext des Dirigenten der Aufnahme, Manfred Huss, sind dann weitere Details zu entnehmen – beispielsweise, dass die 12. Sinfonie Haydns erste „Opernsinfonie“ gewesen sein dürfte, da sie direkt mit seinem nur unvollständig erhaltenen Musikdrama Acide von 1763 korrespondiert.
Und tatsächlich hört man anschließend Sätze wie das von der Haydn Sinfonietta Wien wunderbar plastisch gespielte e-Moll-Adagio der Zwölften mit anderen Ohren: als eine hinreißende Elegie auf den Tod des Titelinterpreten der Oper – sozusagen „Siegfrieds Trauermarsch“ aus Haydns Feder. Zudem gelingt Manfred Huss und seinem auf dieser Einspielung dokumentierten Eliteklangkörper der Spagat, dass das Musizieren auf historischen Instrumenten – trotz geringem Streichervibrato – mit keinerlei Einbußen an klanglicher Schönheit verbunden sein muss. Mehr glutvolle, furiose Haydn-Seligkeit war nie. Und wenn im Prestissimo-Finale der Il Distratto-Sinfonie das ganze Orchester – eben zerstreuten Musikern gleich – gemeinsam aussetzt und wie selbstverständlich nochmals von Neuem anhebt, dann geht auch der letzte Wunsch eines anspruchsvollen Hörers nach ästhetischer Perfektion in Erfüllung.
Richard Eckstein [25.10.2010]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Joseph Haydn | ||
1 | Symphony No. 50 major Hob. I:50 (Der Götterrat) | 00:18:47 |
5 | Symphony No. 12 E major Hob. I:12 (Acide) | 00:16:48 |
8 | Sinfonie No. 60 C major Hob. I:60 (Il distratto) | 00:29:35 |
Interpreten der Einspielung
- Haydn Sinfonietta Wien (Orchester)
- Manfred Huss (Dirigent)