Troubadisc TRO-CD 01440
1 CD • 71min • 1976, 1988, 1982
29.06.2011
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Wolfram Lorenzens zweite Folge mit Klavierkonzerten darf man guten Gewissens als Sammlung von historischer Qualität bezeichnen. Immerhin ist die jüngste Einspielung des C-Dur-Klavierkonzerts von Weber 23 Jahre alt – und die Aufnahme des G-Dur-Konzerts von Haydn trägt satte 35 Jahre auf dem digitalisierten Rillenbuckel. Gleichwohl: es lohnt sich an Hand – und Händen – von Wolfram Lorenzen für gute 70 Minuten in den Rundfunkarchiven des Südwestfunks und des Bayerischen Rundfunks zu stöbern, denn damals erfüllten die Radiostationen noch echte öffentlich-rechtliche Aufgaben – nämlich in Form von Eigenproduktionen ohne Stützung oder in Zusammenarbeit mit kommerziellen Tonträgerproduzenten.
Lorenzen erweist sich hier wie in der ersten Folge (TRO 01437) als vielseitig interessierter, stilistisch wandlungsfähiger Gestalter, der sich auch mit dem nicht so populären G-Dur-Konzert von Haydn vorteilhaft in Szene zu setzen vermochte. Viel ist ja aus diesem liebenswürdigen, technisch nicht sehr anspruchsvollen „Konzertchen" nicht herauszukitzeln, aber allein der Vergleich mit Benedetti Michelangelis lustloser, fast schon verächtlich desinteressierter EMI-Version macht den Haydn-Freund sicher: Hier hat sich einer kundig gemacht, hat genau gelesen und den drei Sätzen Fahrt und Beredtheit gesichert. Das Manko dieser Einspielung ist die wenig inspirierte, klanglich sämige Mitarbeit des Orchesters unter der Leitung von Ernest Bour. Der große, verdienstvolle Förderer alles Neuen ist – das wage ich auch in Kenntnis der Mozart-Aufnahmen mit Rudolf Firkusny zu sagen – kein glühender Übersetzer klassischer Musiksprache, eher sorgt er für den akustischen Hintergrund, ohne sich wirklich in den konzertanten Dialog einzublenden.
Günstiger als konzertantes „Gesamtkunstwerk" ereignet sich die Weber-Produktion von 1988. Lorenzen arbeitet, genauer: er musiziert mit Elan, zeigt sich für die muntere Motorik des Finalsatzes empfänglich, ohne sich dieser konzertanten „Schule der Geläufigkeit" rein mechanisch hinzugeben. In dieser Phase der Troubadisc-Dokumentation erweist sich auch das SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg mit dem Dirigenten Grzegorz Nowak als ebenso resoluter wie Farben spendender Partner, ganz im Sinne Weberscher Atmosphäre im schier unvermeidlichen Hinblick auf den Freischütz.
Von diskographischer Brisanz ist die Einspielung des selten zu hörenden „Dritten" von Harald Genzmer. Das Werk aus dem Jahr 1974 beginnt „Tranquillo" – und es hebt nicht eben viel versprechend an. Man könnte vorschnell mutmaßen, es handele sich um ein typisch deutsches, klavieristisch etwas graues, wenn man will: vegetarisches Klavierkonzert. Aber von Satz zu Satz (vier insgesamt) gewinnt das Werk an Vitalität, an Richtung und detaillierter Feinstufigkeit. Das Stück wird sicher nicht die Konzertsäle erobern, aber es wäre bedauerlich, wenn dieser Versuch vergeblich wäre, im großen Klavierkonzert-Repertoire ein deutsches Ausrufezeichen zu setzen. Immerhin gibt es in diesem Fall eine Alternativ-Version mit Oliver Triendl und der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz unter Theodor Guschlbauer, die – wie mir scheint – dem Werk nicht weniger gerecht wird.
Vergleichsaufnahmen: Haydn: Knauer – Müller-Brühl (Naxos 8.570485 D), Badura-Skoda (Genuin 89145), Schornsheim – Utiger (Capriccio 5022), Veljkovic – Dolezal (Gramola 98868), Batik – Khadem-Missagh (Camerata CM-28192), Palumbo – Theis (Arts 47629-2); von Alpenheim –Dorati (LP FSM93006), Benedetti Michelangeli – de Stoutz (LP EMI 567-749 324-2), Entremont (LP Telefunken 8.43277 ZK); Weber: Smirnova - Schmidt-Gertenbach (Arte Nova 51635 2), Zitterbart – Fey (Hänssler 98.354), Ungureanu – Llacer (Bella Musica 31.2237), Brautigam – Mortensen (BIS CD 1318), Drewnowski – Wit (LP Divox Fr 11038), Rösel – Blomstedt (LP EMI 067-270358-1), Littauer – Köhler (LP FSM KC 334 406); Genzmer: Triendl – Guschlbauer (Thorofon CTH 2401).
Peter Cossé † [29.06.2011]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
---|---|---|
CD/SACD 1 | ||
Joseph Haydn | ||
1 | Klavierkonzert Nr. 4 G-Dur Hob. XVIII:4 | 00:18:33 |
Carl Maria von Weber | ||
4 | Piano Concerto No. 1 C major op. 11 for Piano and Orchestra | 00:19:55 |
Harald Genzmer | ||
7 | Piano Concerto No. 3 for Piano and Orchestra | 00:32:00 |
Interpreten der Einspielung
- Wolfram Lorenzen (Klavier)
- SWR Sinfonieorchester Baden-Baden und Freiburg (Orchester)
- Ernest Bour (Dirigent)
- Grzegorz Nowak (Dirigent)
- Bamberger Symphoniker - Bayerische Staatsphilharmonie (Orchester)
- Alexander Symeonides (Dirigent)