Acousence Classics ACO-CD 21811
1 CD • 69min • 2010
10.10.2011
Künstlerische Qualität:
Klangqualität:
Gesamteindruck:
Klassik Heute
Empfehlung
Es müssen schonbewegende Momente gewesen sein, als die Duisburger Philharmoniker und das Konzertpublikum ihren Maestro Jonathan Darlington enthusiastisch verabschiedeten, nachdem gerade Mahlers Auferstehungssinfonie verklungen war. In vielen Jahren intensiver Zusammenarbeit hatte Darlington einen wesentlichen Anteil an der Weiterentwicklung des Musiklebens in der Ruhrgebietsstadt, hat Klang und Profil der Duisburger Philharmoniker maßgeblich weiterentwickelt. Im Falle des charismatischen Briten zählte wohl nicht nur dessen unbestechlicher künstlerischer Anspruch, sondern war gleichermaßen ein Höchstmaß an menschlicher Wärme im Spiel. Und die Musik Gustav Mahlers ist eines von Darlingtons großen Lieblingsthemen in Duisburg gewesen. Was lag also näher, in Gestalt seiner Fünften Sinfonie dieses Vermächtnis mit noch einer weiteren Einspielung abzurunden – nachdem schon Mahlers Sechste aufgenommen wurde.
Auch der Fünften mit den Duisburger Philharmonikern unter Jonathan Darlingtons Leitung kommt einmal mehr Referenzcharakter zu – dafür sorgte nicht zuletzt das Live-Aufnahmeverfahren seitens des Labels Acouscence!
Lupenreine Klangqualität, eine perfekte Durchhörbarkeit sämtlicher Teile des riesigen sinfonischen Apparates, schier grenzenlose Dynamik und Tiefe – so etwas sollte heute für geschulte Hörerwartungen Standard sein. Bei dieser Mahler-Interpretation ist all dies aber weit mehr als Selbstzweck. Die Konzentration des Augenblicks, wie sie der Konzertbesucher als intensiven Eindruck mit nach Hause nimmt, will diese Produktion auch dem heimischen Hörer nicht vorenthalten. Man fühlt sich der Musik wirklich hautnah hingegeben und muss sich eingestehen, dass alle Perfektion letztlich nur Gehilfe einer allumfassend zu vermittelnden Emotion ist.
Darlington weiß, Dynamik und Tempi mit hohem Gespür für die psychologische Feinzeichnung in dieser kolossalen Komposition zu dosieren. Das ist gerade im Kopfsatz fesselnd, wenn er zwischen gravitätischer Schwere der Trauermarsch-Motivik und einer träumerischen Leichtigkeit des Seitenthemas vermitteln kann. Dies lebt auch in den folgenden großen Abschnitten weiter – eine intuitiv nachgespürte und sorgsam ausgehorchte Rhetorik, die den Umgang des Briten mit dem Duisburger Orchester bei vielen großen Vorhaben ausgezeichnet hat.
Sinfonische Massen wirken bei aller Wucht klar und differenziert. Dabei lotet eine ebenso feinfühlig dosierte Agogik mit klugem Kalkül zwischen schleppendem Verharren und vitalem Aufbruch aus. Leise Nuancen leuchten wie Inseln der Nachdenklichkeit inmitten einer kollosalen Wucht, die mitreißt, aber nie erdrückt. Und Transparenz meint bei Darlingtons Herangehensweise bei der Dynamik weit mehr als nur ein lupenreines Klangbild. Da wird viel Randgeschehen hörbar – Nebenstimmen, Klänge aus dem Hintergrund, kleine Details, die scheinbar gleichberechtigt in den Mittelpunkt des Hörgeschehens rücken. So darf der Hörer selbst die für ihn wichtigen Aspekte ausforschen.
Ironie, ein typisches Etikett, welches Mahler anhaftet, scheint in dieser Ausdeutung weniger präsent – wo der Focus doch eher auf sinnlicher Empfindungstiefe liegt.
Mahlers Fünfte beschreibt ja in der Veränderung ihrer Tonalität einen Entwicklungsprozess, der zu Anfang in großer Tragik gründet, dann aber in positivere Stimmungswelten hinein führt. Diese Interpretation zeichnet einen solchen Prozess in besonderem nach, weil diese Musiker so viel Aufbruchsstimmung verströmen. Auch wenn Duisburg Jonathan Darlingtons Aufbruch zu neuen Herausforderungen noch lange als Verlust empfunden wird.
Stefan Pieper [10.10.2011]
Komponisten und Werke der Einspielung
Tr. | Komponist/Werk | hh:mm:ss |
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CD/SACD 1 | ||
Gustav Mahler | ||
1 | Sinfonie Nr. 5 cis-Moll |
Interpreten der Einspielung
- Duisburger Philharmoniker (Orchester)
- Jonathan Darlington (Dirigent)