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Besprechung CD

Orchid Classics ORC100025

1 CD • 67min • 2010, 2011

12.12.2012

Künstlerische Qualität:
Künstlerische Qualität: 9
Klangqualität:
Klangqualität: 9
Gesamteindruck:
Gesamteindruck: 9

Marianna Shirinyans neue Veröffentlichung ist ein Wagnis. Nicht, weil sich die aus Armenien stammende und beim ARD Musikwettbewerb 2006 gleich mehrfach ausgezeichnete Pianistin mit Beethovens Klavierkonzert Nr. 1 C-Dur op. 15 einer schier erdrückenden Vielzahl von Vergleichsaufnahmen stellen muss. Sondern aufgrund der Tatsache, dass man bei dem zweiten Werk der CD, dem Klavierkonzert C-Dur op. 7 von Friedrich Kuhlau (1786-1832) leicht den Eindruck gewinnen kann, als handele es sich um eine belanglose Kopie des ersten. Kuhlau, seit 1818 dänischer Hofkomponist in Kopenhagen, war nicht nur mit Beethoven bekannt. Beethoven war tatsächlich sein Leitbild und sein Konzert ist unüberhörbar angelehnt an Beethovens Nr. 1. Über die Tonart hinaus sind beiden gemeinsam der gesamte Aufbau und ein stark improvisatorischer Zug. Überdeutliche Ähnlichkeiten bestehen in der Orchesterbesetzung und Tonartenwahl aller drei Sätze, zudem in der Themengestaltung und in der Ausgestaltung des Klavierparts schlechthin. Schließlich zeugen beide mit Bravourtechnik, brillantem Passagenwerk und einer Vielzahl an imitatorischen Satzkünsten inmitten einer sehr reichen Harmonik von den virtuosen Fertigkeiten ihrer Schöpfer (allerdings erhalten die Solokadenzen bei Beethoven ein weitaus größeres Gewicht als bei Kuhlau).

Und doch ist das Kuhlau-Konzert eher als inspiriert von Beethovens Nr. 1 zu bezeichnen als eine bloße Kopie dessen zu sein. Als Beispiel mag das zweite Thema des Kopfsatzes dienen. Es steht eben nicht im Kontrast zum Hauptthema, sondern entwickelt sich aus diesem recht organisch und wird schließlich zum Zentrum des ganzen Satzes. Ein weiteres Beispiel ist die harmonische Entwicklung bzw. das reiche modulatorische Geschehen, das sehr schnell in andere Richtungen führt, als es bei Beethoven der Fall ist. Spätestens hier kommt Marianna Shirinyan ins Spiel. Mit einem sehr wandlungsfähigen Anschlag sowie einer hoch differenzierten Artikulations- und Phrasierungskunst gelingt es ihr auf bestechende Weise, eben diese Unterschiede herauszuarbeiten und Dank zahlreicher agogischer Finessen zu einer sehr beredten Deutung zu gelangen. Dass das Kuhlau-Werk lichter und durchsichtiger gebaut ist, als das Beethovens, fällt kaum ins Gewicht, entwickelt es doch unter den Händen der Pianistin die gleiche spannungsvolle Energie, die dem Beethoven-Konzert eigen ist.

Energiegeladen und konturenscharf, dabei aber auch anmutig, das lyrisch kantable wie das improvisatorische Moment gleichermaßen betonend und zugleich erfrischend spielerisch wirkend, kommt die transparente, zügige und deutlich ausformulierte Beethoven-Lesart von Marianna Shirinyan und dem Philharmonischen Orchester Kophenhagen daher. Manch einem mag vielleicht das Dramatische zu kurz kommen. Persönlich ziehe ich aber Shirinyans sehr zielgerichtete Beethoven-Interpretation eindeutig der doch recht bedeutungsschwangeren von Pierre-Laurent Aimard und Nikolaus Harnoncourt vor, die fast durchweg nicht nur eine unnötig lastende Schwere vermittelt, sondern auch eine merkwürdige Orientierungslosigkeit. Shirinyans Spiel ist ausgesprochen reich an Klangfarben und voller überraschender gestalterischer Ideen, die sich auch in den Kadenzen der Ecksätze bemerkbar machen. „Musik als Klangrede" – hier ist sie verwirklicht. Großen Anteil daran hat das Philharmonische Orchester Kopenhagen, das unter der Leitung von Michael Francis (Beethoven) und Rolf Gupta (Kuhlau) stets gemeinsam mit der Pianistin atmet, sich als gleichrangiger Partner versteht, sich immer wieder zu innigen Dialogen mit der Solistin aufschwingt und dabei jederzeit völlig natürlich im Ausdruck bleibt.

Christof Jetzschke [12.12.2012]

Komponisten und Werke der Einspielung

Tr.Komponist/Werkhh:mm:ss
CD/SACD 1
Ludwig van Beethoven
1Klavierkonzert Nr. 1 C-Dur op. 15 00:36:10
Friedrich Kuhlau
4Klavierkonzert Nr. 1 C-Dur op. 7 00:31:18

Interpreten der Einspielung

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